FORUM DEUTSCH
ISSN 0843 9829X

10. Jahrgang                                                                                                                    November 2001

Für Deutschlehrerinnen und Deutschlehrer in Kanada
 
 
 
 

Publikationen  - Informationen - Arbeitshilfen - 
Diskussionen  - Tipps


















Herausgeber: 
Canadian Association of  Teachers of German
 

Redaktion dieser Nummer: 
Klaus Krischok (Redaktionsleitung), Karin Mollinger, Michael Boehringer, Wolfgang Krotter. Endredaktion: 
Klaus Krischok, Astrid Meyer.
 

Redaktionelle Vertreter: 
Ellen Bornowsky (CATG), Klaus Krischok (Goethe-Institut), Michael Boehringer (CAUTG), N.N. (KVDS)
 

Beiträge und Kommentare auf Deutsch, Englisch oder Französisch senden Sie bitte an folgende Adressen: goethe.montreal.ls@netaxis.qc.ca, ebornowsky@hotmail.com.
 

Format: Dateien im Format Word oder WordPerfect UNFORMATIERT. Abbildungen, Zeichnungen oder Fotografien können nur von der Originalvorlage abgedruckt werden. Etwaige Copyright-Erlaubnis muss vom Autor eingeholt werden.
 
 

FORUM DEUTSCH ist die Zeitschrift der CATG und wird ermöglicht mit finanzieller Unterstützung durch das Goethe-Institut Inter Nationes.


 
 
 
- 1 -


INHALT

(Wenn Sie einen Titel anklicken, gelangen Sie direkt dahin. Wegen der Länge dieser Nummer des Forum Deutsch ist sie in fünf Teile gegeliedert).

DER VORSTAND DER CATG BERICHTET

Ellen Bornowsky
Brief der Verbandspräsidentin und CATG-Bericht


 

 2

BASISARTIKEL

Michael K. Legutke 
Lernwelt Klassenzimmer - Neue Dimensionen fremdsprachlichen Unterrichts für die Bürger und Bürgerinnen Europas?


 
 

 3

Karl-Heinz Suess 
Die Präsentation

12
Ulf Schuetze 
Knowledge about Language

17
DEUTSCH LERNEN IN KANADA  
Marianne Eiselt
Deutsch im Indianerreservat

18
Blaine Eli Myles 
Holy Heart of Mary lernt Deutsch

21
MATERIALIEN - CURRICULA - PRÜFUNGEN   
Christel Keller-Segovia
WebCT - Ist ein virtueller Sprachkurs wirklich sinnvoll?

24
Hans Walter Frischkopf 
Die neue Prüfung Wirtschaftsdeutsch

27
Wolfgang Krotter 
Neue Adressen in der virtuellen Welt

32
Bernd Schliephake
Europaprojekte im Deutschunterricht

33
Bernd Schliephake 
Vom Wort zum Text. Zielgerichtetes Schreiben im Deutschunterricht

34
LITERATUR UND MEHR   
Martin Hielscher
Aus dem Regen zurück. Die neue Lebendigkeit der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur

39
Joseph Schmidt 
Kleinstaat, Kleinkunst, Kabarett - Der Schweizer Kabarettist Franz Hohler

43
Franz Hohler 
Am Fenster

44
BERICHTE - POSITIONEN - PERSPEKTIVEN   
Alain Forget 
XII. Internationale Tagung der Deutschlehrerinnen und Deutschlehrer 30. Juli bis 4. August 2001 Luzern/ Schweiz
45
Klaus Krischok 
Sprachförderung Kanada 1997-2001 - und wie weiter?

51
Klaus Krischok 
Neues aus dem Goethe-Institut: Montréal/ Ottawa

54
Harald Bieck 
Neues aus dem Goethe-Institut: Toronto

56
Berichte der kanadischen Mitgliedsverbände 57
Programmvorschau  64
DAS LETZTE 

Wolfgang Krotter 
Linguistisches Mini-Quiz


 

65

ADRESSVERZEICHNIS
Karin Mollinger
 
67

 
 
 
- 2 -


DER VORSTAND DER CATG BERICHTET


Brief der Verbandspräsidentin
Ellen Bornowsky, Vancouver 

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

es grüßt Sie ganz herzlich die neue Verbandspräsidentin. Ich hoffe die gute Arbeit  meiner Vorgänger fortsetzen zu können und danke den Delegierten für ihr Vertrauen und die guten Wünsche. Ich vermute, der Wunsch, zu einer Konferenz in Vancouver im Frühjahr 2002 eingeladen zu werden, spielte doch eine Rolle bei der Wahl der Kandidatin! Meine Kolleginnen im Vorstand der BCCTG haben sich sofort gemeldet, und wir werden die nächste Jahresversammlung der CATG hier in Vancouver  Anfang März 2002 veranstalten.

Etwas über mich: Ich bin gebürtige Kanadierin (einsprachig aufgewachsen) und unterrichte seit acht Jahren Deutsch und Französisch an einer High School in Langley BC, etwa 50 km östlich von Vancouver. Ich habe dieses Jahr fünf Deutschklassen von den Anfängern im 9. Schuljahr bis zu den Schülern im 11. Schuljahr. Deutsch ist für unsere Schüler ein Wahlfach und konkurriert daher mit anderen Sprachen (Französisch, Japanisch, Spanisch) und anderen Fächern wie Technik, Handarbeit und Kunst. Um ein erfolgreiches Programm führen zu können, muss man viel Zeit, Energie und Humor investieren. Ich liebe meine Arbeit und bin sehr darum bemüht, Kontakt zu Kollegen zu pflegen, um Arbeitserleichterung zu schaffen.

Neben der Arbeit in der Schule haben sich interessante 'Nebentätigkeiten' im Laufe der Jahre ergeben, und so durfte ich 1996 am neuen Curriculum für Deutsch 5 – 12 mit anderen Kollegen und dem Erziehungsministerium arbeiten, sowie an einer Lehrwerkanalyse im Jahr 2000. Theoretisch könnten Schüler schon ab der 5. Klasse Deutsch lernen, aber in der Praxis hat sich das nicht umgesetzt, außer an den sogenannten Samstagsschulen.  Außerdem habe ich seit fünf Jahren die Abschlussprüfungen für German 12 (die den Standard setzen sollten) korrigiert, und bin seit einem Jahr Präsidentin des BC Council of Teachers of German.

Als Lehrerin in BC habe ich eigentlich eine abwechselungsreiche, interessante, oft zeitraubende, aber meistens lustige Tätigkeit. Meine Schüler sind im Großen und Ganzen nett und wollen etwas über deutsche Sprache und Kultur lernen – nur oft wissen sie es noch nicht. Meine Aufgabe besteht darin Jugendliche zum Lernen für das ganze Leben und zum Erwachsenwerden zu motivieren.

Als Deutschlehrer sind wir oft alleine an unseren Institutionen; aus diesem Grund habe ich immer versucht, Kontakte zu Kollegen zu schaffen, damit wir Unterrichtsmaterialien und -ideen austauschen können. Ich habe schon viel Zeit in die Erstellung von kreativen und interessanten Aufgaben für den Einsatz im Unterricht investiert.

Ich habe bereits Kontakt zur American Association of Teachers of German aufgenommen in der Hoffnung auf eine engere Zusammenarbeit in der Zukunft. Vielleicht wird es dann für unsere Mitglieder etwas leichter sein – auch vom geographischen Standpunkt aus gesehen – an AATG Tagungen und Fortbildungsveranstaltungen teilzunehmen.
 

CATG 2001 Bericht

Die CATG Jahresversammlung fand dieses Jahr, wieder mit der Unterstützung durch StADaF und  Goethe-Institut, in Calgary zusammen mit dem ISLC (Intercultural and Second Languages Council) statt. Das Thema “2001 Interlocking Pieces of the Puzzle: How Educators Connect” war für uns als Deutschlehrer relevant, denn wir als CATG sind einem Puzzle ähnlich. Wenn das “komplette Bild” eine Landkarte von Kanada ist, sind wir – die Delegierten aus den Provinz- und Regionalverbänden die einzelnen Puzzleteile.  Zusammen bilden wir eine bunte Karte mit verschiedenen geographischen, historischen, kulturellen und politischen Teilen. Interessant und sehr wertvoll fand ich, dass, obwohl wir eine diverse Gruppe sind, wir doch zusammen kamen mit gemeinsamen Interessen und Ansichten, um ein Ziel zu erreichen.


 
 
 
- 3 -


Multikultureller hätten wir kaum sein können, als Kanadier, Schwaben, Holländer und Rheinländer irische und deutsche Volkslieder sangen und bayrisch-kanadische Mitglieder des Tanzvereins “Enzian” in Trachten und Lederhosen zum irischen St. Patricks Day traditionelle Schuhplättlertänze vorführten.  Von den sprachlichen, pädagogischen und organisatorischen Fähigkeiten unserer Kollegen wussten wir schon – aber ihre tänzerischen Talente waren für uns Zuschauer eine schöne Überraschung. 

Die “Keynote Speakers” insbesondere Dr. Olenka Bilash hatten viel Interessantes und Lehrreiches mitzuteilen und bestätigten das, was wir als Lehrer schon zu schätzen wissen:  Dass wir die Vermittler von Sprache und Kultur sind, und daher eine zentrale Rolle im Unterricht spielen. 

Der neue Vorstand wurde gewählt und die neuen Mitglieder sind Ellen Bornowsky (BCCTG) als Präsidentin, Ron Sperling (AATG) als Vize-Präsident, Susan Evans (OATG) als Schatzmeisterin und Karl Langelotz (MTG) als Schriftführer.

In den Arbeitsgruppen war die Diskussion lebhaft, denn der Austausch von Erfahrungen und Ideen im Plenum ist immer wertvoll. Oft ergeben sich aus diesen Gesprächen Strategien und Lösungen, die individuelle Probleme bereinigen können. Die Berichte über die Aktivitäten in den einzelnen Verbänden waren besonders interessant. “Zu Hause” arbeiten wir alleine und es fehlt das Gefühl vom kollektiven Schaffen. Es ist motivierend zu hören, dass Kollegen in anderen Teilen Kanadas erfolgreiche Deutschprogramme aufgebaut und erhalten haben. 

Die Idee eines Reisewettbewerbs auf nationaler Ebene wurde diskutiert und wir werden uns per E-mail damit weiter befassen. Dr. Manfred Prokop hat sich bereit erklärt, an unserer Webseite weiterzuarbeiten und hat schon einige Erneuerungen und Korrekturen vorgenommen. Bitte melden Sie sich direkt bei ihm, wenn Sie etwas auf der CATG Webseite veröffentlichen wollen.


BASISARTIKEL

Lernwelt Klassenzimmer – Neue Dimensionen fremdsprachlichen Unterrichts für die Bürger und Bürgerinnen Europas?

Michael K. Legutke, Gießen

1. Aufbruch und Annäherung

Europaweit lässt sich eine Aufbruchstimmung in fremdsprachlichen Klassenzimmern feststellen, die sich nicht zuletzt darin zeigt, dass viele Lehrende damit begonnen haben, ihre tägliche Praxis neu zu orientieren. Sie reagieren auf vier Veränderungen:

1. Als Folge der weltweiten Migration gehören multikulturelle Gesellschaften zur Realität in immer mehr Ländern Europas. Deshalb sind nicht nur viele Klassenzimmer in deutschen Großstädten, sondern selbst in mittleren und kleinen Städten mehrsprachig und multikulturell.

2. Die Fähigkeit zur internationalen Kooperation und zum Fremdverstehen sind aufgrund der gesamtgesellschaftlichen Veränderungen zu Schlüsselqualifikationen in Europa geworden, deren Aufbau und Förderung eine zentrale Aufgabe von Schule und Hochschule ist.

3. Die europäischen Bürger sind mobiler geworden. Dies zeigt sich im Bildungssektor u. a. an der wachsenden Zahl von Austauschprogrammen und Schulpartnerschaften.

4. Die Neuen Medien erlauben in bisher nicht bekanntem Maße Zugang zu zielsprachigen Kontexten und fremdsprachigen Texten.


 
 
 
- 4 -



Auf die praktischen Antworten aus verschiedenen europäischen Klassenzimmern kann im Folgenden nur allgemein eingegangen werden. Indem ich sie zu Thesen verdichte, können sie eine erste Orientierung bei der Suche nach angemessenen Curricula für das Lehren und Lernen von Fremdsprachen bieten und in einen Dialog über die Gestaltung von Lernumwelten aufgenommen werden. Die „neuen“ Dimensionen, die dabei skizziert werden, konstituieren keinen radikalen Neuanfang, sondern stellen vielmehr eine Weiterentwicklung der uns vertrauten Praxis in der Lernumwelt des Klassenzimmers dar.

Auch wenn die Gestalt des Lernraums von der Fachdidaktik bisher kaum explizit thematisiert wurde, so macht doch jede Fremdsprachenvermittlungsmethode indirekte Aussagen über den Handlungsraum der Beteiligten, stellt Forderungen auf und formuliert Ansprüche. Das Zusammenspiel von Lehrenden und Lernenden gleicht einer „Kultur“ (Breen 1985), die ständig erarbeitet, verändert und aufrecht erhalten wird. Sie ist bestimmt durch einen physisch fassbaren Ort, dessen besondere Gestalt auf größere gesellschaftliche Zusammenhänge verweist: auf Wertvorstellungen, Bauvorschriften, finanzpolitische Prioritätsentscheidungen und cum grano salis auch auf Lehr- und Lernkonzepte. So materialisiert sich beispielsweise im klassischen Arrangement eines universitären Hörsaals ein auf Vorstellungen von Wissenstransfer gegründetes Lehr- und Lernmodell, das im schulischen Frontalunterricht eine strukturelle Entsprechung findet. Trotz seiner Abhängigkeit von nur schwer veränderbaren Vorgaben zeichnet sich der Handlungsraum Klassenzimmer als Ort gesellschaftlicher Praxis gerade dadurch aus, dass er von seinen Bewohnern nicht nur genutzt sondern auch hergestellt wird (vgl. Candlin 2001, Lantolf 2000, Legutke 1997, van Lier 2000). 

2. Räume

2.1. Das Klassenzimmer als Raum für Kommunikation

Seit der kommunikativen Wende der frühen 80er Jahre erscheint das Klassenzimmer gegenüber früheren Konzepten in einem neuen Licht. Wenn es Ziel ist, die Lernenden zur Kommunikation in der Fremdsprache zu befähigen, dann muss im Unterricht selbst Kommunikation geübt, erfahren, und analysiert werden. Die kommunikative Didaktik wertet deshalb die Erfahrung der Lernenden, ihren Umgang mit der Fremdsprache im Hier und Jetzt des Klassenzimmers auf und kritisiert einen Unterricht, der nur auf ein Später durch Lernen auf Vorrat zielt. Zwei Richtungen hat die kommunikative Wende genommen. 

Die eine weist nach draußen und beinhaltet Versuche, das Klassenzimmer mit der Welt zu verknüpfen, wo die Sprache lebendig ist, damit die Lernenden ihr Sprachkönnen in Situationen des Ernstfalls erproben können: Erkundungen von Zielsprachengebrauch in der erreichbaren Umgebung werden organisiert, wie der Besuch von internationalen Schulen, Hotels, Flughäfen, Orten, an denen sich Touristen versammeln. So benutzt beispielsweise eine norditalienische Berufsschule die nahe gelegene, von vielen Deutschen genutzte Jugendherberge als integralen Bezugspunkt für den Deutschunterricht: Die Jugendherberge wird Teil des Klassenzimmers (Goethe-Institut 1997). Die Wendung nach draußen holt sich Unterstützung von der Reformpädagogik, insbesondere der Freinet-Bewegung, die dem experimentierenden Sich-Vorantasten der Lerner in authentischen Kommunikationssituationen eine zentrale Funktion im Fremdsprachenerwerb zuweist. Eine Schlüsselposition nimmt die Korrespondenz (individuelle oder Klassenkorrespondenz) mit Sprechern der Zielsprache ein. Diese reicht vom klassischen Brief über Kassettenbrief und Videobrief bis hin zu der heute populären Form der E-Mail-Kommunikation. Eine Vielzahl von Berichten, selbst aus den Grundschulen, belegt, dass die Öffnungen nach draußen durch direkte und vermittelte Kommunikation zu beeindruckenden Ergebnissen führt (siehe: Drese 2000, Edelhoff & Liebau 1988, Legutke & Thomas 1999, Müller-Hartmann 1999, 2001). Obwohl solche Ernstfälle das Klassenzimmer zweifelsohne lebendiger machen, kann über sie allein kein Fremdsprachenunterricht betrieben werden. 
 


 
 
 
- 5 -



Die kommunikative Didaktik richtete deshalb ihre zweite Stoßrichtung nach innen und suchte nach Möglichkeiten von simulierten Ernstfällen im Klassenzimmer selbst. Dabei rückten zunächst Themen und Texte ins Zentrum des Interesses. Allerdings zeigte sich schnell, dass sich weder interessante Themen von selbst entfalten, noch fremdsprachige Texte (und wenn sie noch so authentisch sind) die Schüler von alleine zum Sprechen und Schreiben führen. Themen und Texte brauchen Aufgaben, die Entdeckungsreisen im Sinne von Freinets experimentierendem Sich-Vorantasten ermöglichen. Die Beschäftigung mit kommunikativen Aufgaben hat die Möglichkeiten des Klassenzimmers gegenüber der Zeit der Drill- und Einschleifübungen radikal verändert. Das Spektrum reicht vom Entwurf eines einfachen Rollenspiels bis hin zur szenischen Gestaltung von Lehrbuchtexten und der Entwicklung eines Filmtreatments auf der Basis eines Jugendromans. Die kommunikativen Aufgaben schließen aber auch das ganz Banale und Folgenreiche ein, das den Alltag des Klassenzimmers regelt, nämlich die Organisation und Strukturierung der Lernsituation und ihrer Ressourcen: Die Fenster müssen geöffnet werden, die Schüler sollen neue Bücher abholen oder ein Gruppenkonflikt erfordert Lösungen (vgl. Legutke & Thomas 1999). Eng verknüpft mit dem Konstrukt der Aufgabe ist das nächste Raumkonzept.

2.2. Das Klassenzimmer als Bühne und Spielraum

Der simulierte Ernstfall kann als Mini-Situation, aber auch als komplexes Ereignis über einen längeren Zeitraum gestaltet werden, indem sich etwa eine Klasse im Regelunterricht auf eine Theateraufführung in der Zielsprache vorbereitet (Heitz 1985), oder wie im folgenden Beispiel verdeutlicht, Texte und Aufgaben zu einem Szenario verknüpft: 

Im 3. Lernjahr Deutsch inszeniert eine norwegische Klasse eine fiktive Verbrecherjagd. Jugendliche sind entführt worden. Die Verbrecherjagd geht durch ganz Norddeutschland und endet auf der Insel Rügen. Beteiligt sind fünf Gruppen (die Entführten, die Teenager, die Eltern, die Polizisten und die Journalisten). Die Schüler benutzen Landkarten, Reiseführer, Hotelführer, sie recherchieren geographische Verhältnisse und benutzen Detailkarten der Insel Rügen. Ein Beobachter dieser Inszenierung dürfte nur wenige frontal geleitete Phasen entdecken, vielfach dominiert die Arbeit in kleinen Gruppen, es herrscht Gewusel und Gemurmel, die den Beobachter nur auf den ersten Blick verwundern dürften, denn die Lernenden sind sehr ernst bei der Sache. Es wird arbeitsgleich und arbeitsteilig geschrieben, es werden Lösungen verhandelt, Gegenstände hergestellt. Der Beobachter entdeckt, dass einzelne Schüler an einem Wandfries arbeiten und dort Wortschatzfelder zusammenstellen, im World Wide Web nach Informationen zur Insel Rügen suchen, den Lehrer um Hilfe bitten, eine Szene einüben. Kleingruppen nehmen auf dem Flur ein Interview mit Vertretern der Polizei auf, andere üben auf dem Schulhof eine Radiosendung ein, die in der nächsten Stunde auf Sendung geht. Es wird viel mit der deutschen Sprache umgegangen, ja in Gruppen deutsch gesprochen, weil die darauf folgende Inszenierung im Klassenzimmer dies als sinnvoll nahe legt. Je mehr sich der Beobachter auf die Situation einlässt, desto klarer wird, dass hier keinesfalls Chaos herrscht: Die Verknüpfung zu einem sinnvollen Ganzen erfolgt im komplexen Zusammenspiel von Steuerungsimpulsen durch die Aufgabenstellung, ihrer Inszenierungen durch die Lehrkraft und der Beiträge der Lernenden. Das Klassenzimmer wird zur Bühne, auf der nicht nur aufgeführt, sondern mit großem Ernst und Eifer geprobt und geübt wird. Die Inszenierung trägt deutliche Züge der Simulation Globale (Yaiche 1996; vgl. auch Fehse & Kocher 2000).
 


 
 
 
- 6 -



Sowohl die Inszenierung simulierter Ernstfälle als Mini-Situationen oder als größere Handlungssequenzen sowie die Einbeziehung von kommunikativen Ernstfällen durch Korrespondenz und Begegnung zeichnen sich durch mindestens zwei strukturelle Merkmale aus: Die sinnvolle Verknüpfung von Aufgaben und Texten zu Szenarien und die systematische Integration von Fertigkeitsübungen. Das Klassenzimmer als Raum für Kommunikation und als Bühne ist deshalb um die Metapher des Trainingsplatzes zu erweitern (2.6.).

2.3. Das Klassenzimmer als Ort der Begegnung

Das fremdsprachliche Klassenzimmer ist der prädestinierte Ort für interkulturelles Lernen (Bredella & Delanoy 2000). Wenn wir es als mit der Welt durch Fenster verbunden begreifen, dann bieten sich heute viele Möglichkeiten für solche Begegnungen: Partner können Zielsprachensprecher in der Umgebung sein; muttersprachliche Besucher im Klassenzimmer; Austauschschüler, die von Partnerschulen anwesend sind; die Gastfamilie bei der Klassenfahrt ins Ausland; der Partner im Zusammenhang eines Austauschprojekts. Die Austauschforschung zeigt allerdings, dass Begegnung allein keinesfalls interkulturelles Lernen garantiert, sondern oft zur Verfestigung von Vorurteilen führt, weshalb die Begegnung der Einbettung in einen größeren Lernzusammenhang bedarf. Damit die Beschäftigung mit der eigenen und fremden Sichtweise überhaupt gelingen kann und zu neuen, von Perspektivenwechsel bestimmten Einsichten führt, müssen besondere Aspekte der Begegnung fokussiert, Meinungen und Sichtweisen dargestellt und verhandelt werden, wie viele dokumentierte Projekte zeigen. Diese Erkenntnis akzentuiert erneut die zentrale Rolle der Aufgaben, die Kommunikation steuern und strukturieren und fokussiert die Texte, die Schüler im Klassenzimmer schreiben. Denn mit ihren Texten – mündlichen und schriftlichen – teilen sie sich den anderen mit und machen ihre eigenen Perspektiven verhandelbar (Alix 1990, Byram 1997, Grau 2001, Kröger 2000, Müller-Hartmann 2000). 

2.4. Das Klassenzimmer als Atelier

Der Fremdsprachenunterricht hat sich vielerorts praktisch von der traditionellen Vorstellung verabschiedet, dass nur die Lehrkraft für die sprachlichen Eingaben verantwortlich ist, und realisiert damit, was in vielen Publikationen der letzten Jahre gefordert wird: Schüler lesen nicht nur Gedichte und Geschichten, sie schreiben sie auch; sie lesen nicht nur Dramen, sondern entwerfen Szenen und verfilmen sie, gestalten Plakate und präsentieren Lernergebnisse mit Hilfe des Computers. Der fremdsprachliche Literaturunterricht kann auf solche Textproduktion genauso wenig verzichten wie Telekooperationsprojekte, in denen Schüler unterschiedlicher Kulturen gemeinsam in virtuellen Lernarrangements Jugendromane oder Jugenddramen bearbeiten (Cook 2000, Legutke, Müller-Hartmann & Ulrich 2000, Müller-Hartmann 2001, Schocker-v. Ditfurth 2001). 

Was sind dies für Texte? Diese Texte sind zunächst nicht für die Lehrkraft geschrieben, damit diese sie auf Sprachrichtigkeit hin untersucht und dabei die Verarbeitung der Eingabe (Input) bewertet, sondern eben auch und vielfach sogar ausschließlich kommunikative Äußerungen, die Einsichten weitergeben, Standpunkte verdeutlichen und folglich verstanden werden wollen, bzw. eine Antwort erwarten. Im Zusammenspiel von Inhalt und Form versuchen sie, Grenzen und Möglichkeiten im Zielsprachengebrauch auszuloten. Dabei können Gestaltungswille und Ausdruckskraft mit Hilfe konventioneller Medien und Mittel ebenso zur Entfaltung kommen wie mit Hilfe der verschiedenen Werkzeugfunktionen des Computers. Lernertexte haben immer auch eine diagnostische Qualität für die Lehrenden, denn sie verdeutlichen Lernfortschritte und Kompetenzdefizite. Den Lernenden zeigen sie ihre Erfolge und Leistungen an und machen Sprachnot erfahrbar. Lernertexte sind deshalb notwendigerweise auch Anlass zu kritischer Reflexion und kontinuierlicher Evaluation. Da die Lernenden als Textproduzenten an der Gestaltung der Lernumwelt teilhaben und dabei auch strukturierende Funktionen für den Lernprozess der Mitschüler übernehmen, somit als Lehrende handeln, fällt ihnen eine nicht unerhebliche Verantwortung für den Gesamtertrag des Unterrichts zu. Als Raum, in dem man in der beschriebenen Weise an und mit Texten unter Verwendung der Fremdsprache arbeitet, lässt sich das Klassenzimmer am anschaulichsten als Atelier kennzeichnen. Die Metapher geht auf Freinet zurück, dessen Bildungskonzept ein Ensemble von vernetzten „Arbeitsateliers“ für elementare Arbeit und für differenzierte, intellektuelle, soziale und künstlerische Tätigkeiten vorsah (Dietrich 1979, 1995).
 


 
 
 
- 7 -



2.5. Das Klassenzimmer als Lernwerkstatt

Eng mit der Vorstellung eines Ateliers ist die Metapher der Lernwerkstatt verknüpft. Wenn sich der Fremdsprachenunterricht nach draußen öffnet, wenn er sich um interkulturelles Lernen und Begegnung bemüht und die Lernenden als Textproduzenten und damit als Mitgestalter der Lernumwelt begreift, dann kann das Lernen nicht im Gleichschritt des Frontalunterrichts voranschreiten. Vielmehr sind unterschiedliche Lern- und Sozialformen gefragt, die sorgfältiger Steuerung bedürfen. Die Gruppen werden regelmäßig innehalten müssen, um zu prüfen, was sie erreicht haben, sie müssen Zwischenbilanz ziehen, sich vergewissern, welche sprachlichen Teilaspekte besonders intensiv nach Übung verlangen. In solchen Phasen wird das Klassenzimmer zur Lernwerkstatt. Hier ist Platz für Grammatikarbeit, Wortschatzübungen und Aussprachetraining, aber auch der Ort, an dem die Lernenden ihr Sprach- und Lernbewusstsein entwickeln. In der Lernwerkstatt spielen aber auch die organisatorischen Fragen eine wichtige Rolle: Wann sollen die Plakate fertig sein? Wer ist für die Tonaufnahmen verantwortlich? Schließlich gehört in die Lernwerkstatt die Ermittlung und Bewertung der Lernergebnisse. So wie die Lernenden die Lernwelt insgesamt mitgestalten, werden sie auch eine zentrale Rolle bei der Bewertung des Erreichten übernehmen. In der Lernwerkstatt werden bereits im Fremdsprachenunterricht der Grundschule die Bedingungen für das lebenslange Lernen geschaffen (vgl. Legutke 2001). Eng mit der Lernwerkstatt verbunden ist die Vorstellung des Klassenzimmers als Trainingsplatz.

2.6. Das Klassenzimmer als Trainingsplatz

Im Fremdsprachenunterricht wurde schon immer viel trainiert. Was das Training grundlegend von frühen Trainingseinheiten unterscheidet, ist die Tatsache, dass es soweit wie möglich mit dem Ernstfall, dem simulierten oder realen, verknüpft ist. So trainieren die Lernenden der norditalienischen Schule sinnvolle Fragetechniken, damit sie bei den Interviews erfolgreich sind, und lernen, einen Bericht über die Begegnung mit der deutschen Schülergruppe zu schreiben. Auch das Rollenspiel und das szenische Spiel sind Ernstfälle, wenn sie so inszeniert sind, dass Aufführende und Zuhörer eine ernsthafte kommunikative Beziehung eingehen. Für solch einen Ernstfall gilt es, die Aussprache zu trainieren und Texte auswendig zu lernen. Auch das eigene Gedicht, das der Lernende vorträgt verlangt nach Vortragstraining, weil die Zuhörer nicht nur die Lehrkraft, sondern auch die Mitschüler sind, an die sich die Botschaft richtet.

2.7. Das Klassenzimmer als Klassenzimmer: Ort der Wissensvermittlung

Auch wenn wir das Klassenzimmer erweitern und zu Ateliers umgestalten, auch wenn es für besondere Phasen zur Bühne oder Lernwerkstatt wird, behält es dennoch auch seine ganz traditionelle Gestalt; es bleibt ein Ort der Wissensvermittlung. Zwar übernimmt die Lehrkraft in der gemeinsam gestalteten Lernwelt andere, erweiterte Aufgaben, die oft mit Begriffen wie Lernberater und Moderator bezeichnet werden, damit wird jedoch die klassische Rolle des Vermittlers von Wissen nicht überflüssig. Das Gegenteil ist der Fall: So schließt projektorientiertes Arbeiten den Lehrervortrag, der Perspektiven und Zusammenhänge aufzeigt nicht aus. Ohne gezielte Interventionen in Begegnungen, ohne den sensiblen und von Kenntnissen bestimmten Hinweis der Lehrkraft auf kulturelle Wissensbestände und Verhaltensrepertoires kann sich die Begegnung nicht zum interkulturellen Lernen weiterentwickeln. Auch auf der Mikroebene fremdsprachlicher Teilaspekte, etwa im Bereich der Semantik oder Pragmatik, ist das Wissen der Lehrkraft nach wie vor gefragt, das es ihr gestattet, Phänomene zu fokussieren und Erkenntnisprozesse durch Lehren und Vermitteln anzustoßen.
 


 
 
 
- 8 -



2.8. Das vernetzte Klassenzimmer 

Das fremdsprachliche Klassenzimmer hat in Deutschland und anderswo viel zu lange in Isolation existiert, was sich in der Schulwirklichkeit nicht zuletzt dadurch zeigt, dass die Sprachen als unverbundene Fächer nebeneinander stehen. Der Unterricht in der ersten Fremdsprache nimmt in der Regel nicht auf die mitgebrachten Sprachen vieler Kinder Bezug; der Unterricht in der zweiten Fremdsprache knüpft weder an Lernerfahrungen mit der ersten an, noch sind Inhalte und Verfahrensweisen aufeinander abgestimmt. In der dritten Sprache werden in der Regel die Inhalte und Routinen wiederholt, die schon die erste und zweite Fremdsprache bestimmten. Der Fremdsprachenunterricht tut vielfach so, als seien die Lerner unbeschriebene Blätter: Der mitgebrachte Reichtum, aber auch traumatische und schwierige Erfahrungen, bleiben außen vor. Es ist auch richtig, dass nach wie vor viele Schulen in Europa in einem „monolingualen Habitus“ (Gogolin 1994) erstarrt sind und die mitgebrachte Mehrsprachigkeit vieler Kinder ignorieren oder sie gar im Sinne eines monolingualen muttersprachlichen Unterrichts einzuebnen suchen. Und dennoch lassen sich auch auf diesem sicher schwierigsten Feld der Bildungs- und Schulpolitik neue Dimensionen erkennen, die am besten mit der Metapher des vernetzten Klassenraums zu fassen sind.

· Ermutigend stimmen all jene Projekte, in denen in allen Schultypen in der Fremdsprache gelernt wird: Geschichte auf Französisch, Sport auf Italienisch, Sozialkunde auf Englisch. 
· Ermutigend auch die Schulprojekte, in denen das gesamte Schulleben zweisprachig organisiert ist, wie in den Europaschulen in Berlin: Türkisch/Deutsch; Italienisch/Deutsch; Russisch/Deutsch; Griechisch/Deutsch usw. (Doyé 1997).
· Ermutigend schließlich die multilateralen Kooperationsprojekte vieler europäischer Schulen, in denen miteinander in mehreren Sprachen gearbeitet wird, und wo sich Austauschprogramme und Schulalltag miteinander ergänzen (Grau, Höller & Klein 2000, Grau 2001).
In all diesen Fällen hat sich das fremdsprachliche Klassenzimmer nicht nur zu den sprachlichen Fächern geöffnet und ist Teil eines Netzwerks interdependenter Aktivitäten geworden, für die die klassische Vokabel des Fachunterrichts nicht unbedingt mehr treffend ist. Vielmehr zeigen sich die Konsequenzen solcher Tendenzen nicht zuletzt auch in der physischen Umgestaltung der Räume, der Bibliotheken, der Medienzentren und der Klassenzimmer selbst.

3. Curriculare Dimensionen und Perspektiven

Wenn wir das Klassenzimmer in seiner räumlichen Gestalt zu fassen suchen, dann lässt sich Folgendes festhalten: Das Klassenzimmer umfasst zunächst als Kernzone den traditionellen Klassenraum mit allen seinen Artefakten: Wänden, Möbeln, Fenstern. Diese Kernzone ist jedoch mit weiteren Räumen vernetzt, mit Räumen in der Schule (Bibliothek, Infothek, Computerraum, Fachraum), aber auch für bestimmte Phasen mit solchen in der Umgebung (z. B. der Partnerklasse in Deutschland) und dem Internet, das weitere Räume erschließt, bzw. erschließbar macht. Wird das Klassenzimmer in dieser räumlich erweiterten Form konzipiert, ist unweigerlich die institutionelle Dimension angesprochen. Denn viel wird davon abhängen, welche Raumkonzepte die Gesamtheit der Lehrkräfte vertritt, welche Vorstellungen über die Entfaltung der fremdsprachlichen Schlüsselqualifikationen die Schule als Ganze verfolgt, welche Ressourcen sie zur Verfügung stellen wird. 

 


 
 
 
- 9 -


Lernen findet in der Schule immer auch in Gruppen statt, weshalb die Interaktionen der Beteiligten und ihre interpersonalen Beziehungen einen wesentlichen Aspekt der Welt des Klassenzimmers ausmachen: Nicht zuletzt entscheidet die Qualität der Beziehungen der Einzelnen in den Gruppen, der Gruppen untereinander und zu der Lehrkraft über die Bereitschaft, sich in der Fremdsprache zu äußern, die immer ungenügenden Möglichkeiten zum Sinnschaffen zu mobilisieren und sich von Sprachnot nicht verunsichern zu lassen. Schon deshalb, weil das Lernklima als soziales Produkt wesentliche Bedingungen für das Engagement in der Fremdsprache liefert, verbietet es sich, Spracherwerb und Sprachleistungen allein als individuelle, nur mentale Vorgänge zu betrachten (vgl. van Lier 2000).

Aus den hier vorgestellten Dimensionen für eine Neukonzeption der Lernwelt Klassenzimmer lassen sich zentrale Fragen für die Entwicklung von Curricula ableiten, die in der zukünftigen Diskussion, auch und gerade um den Fremdsprachenunterricht an den Universitäten zu berücksichtigen sind:

1. Welche ‚Ernstfälle’ für kommunikativen Sprachgebrauch stellt eine Lernumgebung zur Verfügung, und wie werden diese Ernstfälle auf eine Lernbiographie von 3 bis 4 Jahren verteilt?

2. In welcher Weise fördert die Lernumgebung das Spiel mit Sprache, und welche Formen sind für die verschiedenen Stufen der Lernentwicklung geeignet? Welche Aufgaben und Szenarien sind anzubieten, welche Inhalte stimulieren das Spiel mit Sprache?

3. In welcher Weise kann und muss man das systematische Training von verschiedenen Kompetenzen (sprachlichen, sozialen und medialen) mit den Ernstfällen und dem Spiel mit Sprache verknüpfen?

4. In welcher Weise können Begegnungen mit Sprechern der Sprache systematisch in die Arbeit integriert werden? Wie können hier auch Erfahrungen aus dem Privatbereich berücksichtigt werden?

5. In welcher Weise können die Lernenden an der Gestaltung der Lernumwelt teilhaben, indem sie mit unterschiedlichen Medien eigene Texte schaffen, zur Verfügung stellen und damit Sinn in der Fremdsprache produzieren? Wie sind diese textproduktiven Fertigkeiten systematisch aufzubauen?

6. In welcher Weise können die Lernenden an der Erfassung und Bewertung von Lernergebnissen teilhaben und damit ihr eigenes Lernen begreifen, damit sie zum lebenslangen Lernen befähigt werden?

7. Welches Wissen über Sprache und Kultur, über Sprachlernen und Sprachkontakt soll im Laufe einer Lernbiographie vermittelt werden, damit Lernen nach der Schule/ Universität weitergehen kann?

8. Wie kann die Trennung der sprachlichen Fächer im Kontext einer Schulkultur und fundiert durch ein integriertes Sprachen- bzw. Bildungskonzept aufgehoben werden?


 
 
 
- 10 -



Vielerorts wird an den Lösungen dieser Fragen bereits gearbeitet. Wir sollten uns aufmachen, diese Ansätze aufzuspüren und sie als Bereicherung der eigenen Praxis zu begreifen, anstatt - was leider in unserer Disziplin häufig der Fall ist - die große Wende zu proklamieren und die schlechten Verhältnisse zu bejammern. Der Fremdsprachenunterricht ist vielerorts schon längst umgekehrt, wir haben es vielfach nur noch nicht bemerkt.

An vielen Orten entsteht so eine neue Kultur des Klassenzimmers, die nicht als trivialer Hintergrund oder neutraler Container für die eigentliche Aufgabe des Lehrens und Lernens zu begreifen ist, sondern wesentlich den Sprachlernprozess mitbestimmt. Sprache wird in solchen Lernwelten nicht als ‚Input’ begriffen, der an die Lernenden gerichtet ist, damit sie irgendwann den erwarteten ‚Output’ liefern, sondern als Zeichen, die Bedeutung und Relevanz dadurch gewinnen, dass sie den Lernenden die Möglichkeit bieten, Sinn zu schaffen, sich anderen mitzuteilen und sie zu verstehen. Damit sie diese Möglichkeiten erkennen und für sich nutzen, brauchen sie stimulierende Inhalte und Handlungsangebote, die eine lebendige Mitarbeit an der Lernwelt ermöglichen. In dieser Kultur, für deren Verdeutlichung ich acht Metaphern angeboten habe, können genau jene Kompetenzen wachsen, welche nicht nur die Bürger und Bürgerinnen Europas benötigen, um die Zukunft zu meistern.

4. Lesehinweise

Aliix, C. (1990). ‚Pakt mit der Fremdheit’. Interkulturelles Lernen als dialogisches Lernen im Kontext internationaler Schulkooperation. Frankfurt: Verlag für Interkulturelle Kommunikation.

Bredella, L. & Delanoy, W. (Hrsg.) (2000). Interkultureller Fremdsprachenunterricht. Tübingen: Narr.

Bredella, L. & Legutke, M. (Hrsg.) (1985). Schüleraktivierende Methoden im Fremdsprachenunterricht Englisch. Bochum: Kamp.

Breen, M. (1985). The Social Context for Language Learning: A Neglected Situation? Studies in Second Language Acquisition 7, 135-158.

Byram, M. (Hrsg.) (1997). Face to Face: Learning ‘Language and Culture’ through Visits and Exchanges. London: CILT.

Candlin, C. (2001). Afterword: Taking the Curriculum to Task. In: Bygate, M.; Skehan, P. & Swain, M. (Hrsg.). Researching Pedagogic Tasks. Second Language Learning, Teaching and Testing. Harlow, Essex: Longman, 229-243.

Cook, G. (2000). Language Play, Language Learning. Oxford: Oxford University Press.

Doyé, R. (1997). Bilinguale Grundschulen. Zeitschrift für Fremdsprachenforschung 8, 161-195.

Drese, K. (2000). Klassenkorrespondenz im Frühenglischunterricht . . . geht das? Und wie! Der fremdsprachliche Unterricht Englisch 34, H. 45, 14-17.

Dietrich, I. (1979). Freinet-Pädagigik im Fremdsprachenunterricht. Englisch-Amerikanische Studien 1, 542-563.

Dietrich, I. (1995). Handbuch der Freinet-Pädagogik: eine praxisbezogene Einführung. Weinheim: Beltz.
 


 
 
 
- 11 -



Edelhoff, Ch. & Liebau, E. (Hrsg.) (1988). Über die Grenze. Praktisches Lernen im fremdsprachlichen Unterricht. Weinheim: Beltz.

Fehse, K.-D. & Kocher, D. (2000). Das fremdsprachliche Klassenzimmer als Erzählraum und Bühne. Ein Beispiel zum Storyline-Konzept. Der fremdsprachliche Unterricht Englisch 34, H. 45, 18-23.

Goethe-Institut (1997). Deutschland ist nah! Jugendherberge Lucca: Ein Interviewprojekt. Video PAL 26 min. München: Goethe-Institut (=429720 Video VP, VS, VN).

Gogolin, I. (1994). Der monolinguale Habitus der multilingualen Schule. Münster: Waxmann.

Grau, M. (2001) Arbeitsfeld Begegnung. Eine Studie zur grenzüberschreitenden Lehrertätigkeit in europäischen Schulprojekten. Tübingen: Narr.

Grau, M., Höller, J. & Klein, D. (2000). Grenzüberschreitendes Lernen in der Begegnung. Der fremdsprachliche Unterricht Englisch 34, H. 45, 29-33.

Heitz, S. (1985). Zigger-Zagger. Die Behandlung und Aufführung eines Dramas im Englischunterricht in einer Gymnasialklasse. In: Bredella & Legutke (1985), 185-200.

Kröger, K. (2000). Hilfe, die Amerikaner kommen! Eine USA-week im Rahmen des deutsch-amerikanischen Schüleraustauschs. Der fremdsprachliche Unterricht Englisch 34, H. 45, 24-28.

Lantolf, J. P. (2000) (Hrsg.). Sociocultural Theory and Second Language Learning: Recent Advances. Oxford: Oxford University Press.

Legutke, M. (1997). Redesigning the Foreign Language Classroom. Perspectives. A Journal of TESOL-Italy 23/1, 27-43.

Legutke, M. (2001) Portfolio für Sprachen – in der Grundschule? Grundschulunterricht 48, Sonderheft Fremdsprachen, S. 20-23, 65.

Legutke, M. & Müller-Hartmann, A. (2000). Lernwelt Klassenzimmer – and beyond. Der fremdsprachliche Unterricht Englisch 34, H. 45, 4-10.

Legutke, M. & Thomas, H. (41999). Process and Experience in the Language Classroom. Harlow, Essex: Longman.

Legutke, M.; Müller-Hartmann, A. & Ulrich, S. (2000) Neue Kommunikationsformen im fremdsprachlichen Unterricht. In: Fritz, G. & Jucker, A. (Hrsg.): Kommunikationsformen im Wandel der Zeit. Vom mittelalterlichen Heldenepos zum elektronischen Hypertext. Tübingen: Niemeyer, 51-73.

Müller-Hartmann, A. (1999). Die Integration der Neuen Medien in den schulischen Fremdsprachenunterricht: Interkulturelles Lernen und die Folgen in E-mail Projekten. Fremdsprachen Lehren und Lernen 28, 58-79.

Müller-Hartmann, A. (2000). The Role of Tasks in Promoting Intercultural Learning in Electronic Learning Networks. Language Learning & Technology 4,2, 129-147. http://llt.msu.edu

Müller-Hartmann, A. (2001). Literatur im virtuellen Lerndreieck – ein interkulturelles Begegnungsprojekt. Der fremdsprachliche Unterricht Englisch 35, H. 49, 35-40.

Müller-Hartmann, A. & Legutke, M. (2001). Lernwelt Klassenzimmer – Internet. Der fremdsprachliche Unterricht Englisch 35, H. 49, S. 4-11.

Schocker-v. Ditfurth, M. (2001). Reviving Native American Culture in a German EFL Classroom. Ein handlungsorientiertes Internet-Rechercheprojekt. Der fremdsprachliche Unterricht Englisch 35, H. 49, 23-29.

van Lier, L. (2000). From Input to Affordance: Socio-Interactive Learning From an Ecological Perspective. In: Lantolf, J. P. (Hrsg.), 245-259.

Yaiche, F. (1996). Simulation Globale. Paris: Hachette.
 


 
 
 
- 12 -



Die Präsentation

Karl-Heinz Suess, Edmonton

Dieser Beitrag enthält eigentlich keine neuen Erkenntnisse. Er befasst sich damit, dass einigermaßen systematisch zusammengefasst werden soll, wie Redner sich vor einem Publikum verhalten, und somit auch, wie Lehrer sich vor einer Klasse geben, wenn sie sich beispielsweise in einer Phase der Information befinden, also neue Inhalte präsentieren bzw. bereits Dargebotenes wiederholen oder resümieren. 

Der eigentliche Anlass, diesen Artikel zu verfassen, ist leicht zu erklären. Ich erlebe es immer wieder, und leider viel zu häufig, dass hochbezahlte Präsentatoren auf Konferenzen schlichtweg unfähig sind, ihre Informationen einem interessierten Publikum ansprechend darzubieten. Dies mag zum Teil aus Unkenntnis heraus geschehen. Ich befürchte hingegen, dass mancher Redner einfach den Bezug verloren hat dazu, wie man auf interessante Art und Weise - und dazu noch pädagogisch aufbereitet - das, was man sagen möchte, vermittelt.

Das geht uns als Lehrern, die wir täglich in einer Unterrichtssituation stehen, oft ähnlich, und ich möchte mich selbst dabei durchaus einschließen! Denn oftmals schon habe ich mich selbst gefragt, ob der dargebotene Inhalt nicht hätte wesentlich interessanter präsentiert werden können. Und zähneknirschend muss ich dann zugeben, dass ich besser hätte vorbereitet sein können, um nicht nur ansprechender, sondern vor allem effektiver in meinen Aussagen zu sein. Denn das ist ja schließlich das Ziel: Was wir zu sagen haben, soll beim Schüler / Zuhörer / Seminarteilnehmer auch so ankommen, damit es auf eine positive Resonanz stößt. 
In diesem Beitrag geht es somit nicht um die Inhalte, die wir vermitteln, sondern um die Art und Weise, wie wir dies tun. Eine Präsentation in dem Sinne, wie ich sie in diesem Zusammenhang verstehe, ist eine Veranstaltung, bei der einem ausgewählten Teilnehmerkreis Inhalte vorgestellt werden, die für diese Teilnehmer vorbereitet wurden. Dies trifft für viele Situationen zu, in denen wir uns als Lehrer befinden, sei es, dass wir vor einer Klasse stehen und etwas vortragen (dozierend oder integrierend), dass wir einen Vortrag halten vor Kolleginnen und Kollegen, oder einen Workshop durchführen. Situationen, in denen wir also präsentieren, gibt es demzufolge viele. 

Grundsätzlich unterscheiden wir drei Arten von Anlässen, die zu einer Präsentation führen: 

· Meinungsbildung 
· Entscheidungsfindung 
· Informationsabgabe
- auch wenn hier die dritte Variante wohl im Vordergrund der Betrachtung stehen wird. 

 
 
 
- 13 -



Ebenfalls müssen wir uns über die vier Phasen im Klaren sein, die zu einer gelungenen Präsentation gehören:
1. die Planung und Konzeption
2. die tatsächliche Vorbereitung 
3. die eigentliche Durchführung 
4. die Auswertung und Nachbereitung
Zu 1.: Ich möchte mich nicht sehr ausführlich mit der Planungsphase beschäftigen, denn sie ist für den täglichen Unterricht eigentlich schon vorherbestimmt. Sie lässt sich leicht von den Unterrichtszielen her bestimmen, die im Lehrplan für die Schulart und das Unterrichtsfach vorgegeben sind. Etwas schwieriger wird es schon, wenn ich eine andere Zielgruppe als meine Schüler im Visier habe. Hier komme ich nicht umhin, mir folgende Fragen zu stellen:
Wer ist meine Zielgruppe?
Was möchte ich darstellen? 
Über welche Inhalte werde ich reden? 
Welche Aussagen werde ich treffen?
Was will ich erreichen? 
Wie werde ich den Inhalt darstellen? 
Welche Hilfsmittel kann ich verwenden? 
Wie sieht die Räumlichkeit aus, in der ich präsentieren soll?
Solange ich Antworten auf diese Fragen nicht habe, kann ich sinnvollerweise nicht mit meiner tatsächlichen Vorbereitung beginnen!

Zu 2.: Jetzt wird es ernst! Ich muss mir klar werden darüber, wie mein inhaltlicher Teil aussehen soll. Dabei darf ich auf keinen Fall vergessen, dass nach der Stoffsammlung die Selektion und Komprimierung der Stoffauswahl erfolgen muss! Weshalb? Ich schreibe keinen Beitrag für ein wissenschaftliches Magazin, sondern gebe eine mündliche Darstellung über mein gewähltes Thema, und ich möchte meine Zuhörer nicht überfordern. 

(Die schlimmsten Redner sind für mich übrigens diejenigen, die von einem Manuskript ablesen, das für einen Beitrag in einer Zeitschrift verfasst wurde. Ich halte es für eine Unverschämtheit den Zuhörern gegenüber, deren Kommunikationssituation grob zu missachten und sie mit Inhalten zu malträtieren, die sie in aller Regel gar nicht aufnehmen können!)

Wichtig ist hier vor allem die Art der Visualisierung, die ich während meiner Präsentation anstrebe, also die Vorauswahl meines Medieneinsatzes. Verschiedene Hilfsmittel stehen mir zur Verfügung:

 - die Art meines Vortrags 
 - mein Tafelbild bzw. der Einsatz des Flip-Chart oder der Pinnwand 
 - die Gestaltung meiner Folien 
 - die Verwendung von Film oder Video 
 - der Einsatz des Computers und LCD-Projektors 
 - die Erstellung eines Handouts oder eines Fragebogens / Arbeitsblattes

 
 
 
- 14 -



Zu 3.: Habe ich meine Vorbereitung ernst genommen, dann kann ich mich nun auf die eigentliche Durchführung meiner Präsentation konzentrieren. Doch auch hier muss ich verschiedene Dinge vorab klären, damit es keine unangenehmen Überraschungen gibt. Denn so manche Präsentation ist schon gescheitert, weil die Organisation vor Ort mangelhaft war! Ich muss mich persönlich davon überzeugen, dass
- die Räumlichkeit in Ordnung ist, also sauber und ausreichend bestuhlt 
- der Raum leicht zu finden ist (Hinweisschilder!) 
- man mich von überall sehen kann 
- die Technik funktioniert (Geräte, Verdunkelung, Nebengeräusche etc.) 
- Kreide bzw. löschbare Folienstifte vorhanden sind 
- ich ein Glas Wasser bei mir stehen habe
Wenn ich nun kontrolliert habe, dass meine persönlichen Unterlagen, die ich zur Präsentation benötige, in der richtigen Reihenfolge vor mir liegen, dann kann eigentlich nichts mehr passieren - sollte man meinen! Für mich unverzichtbar ist eine Uhr, die vor mir auf dem Tisch oder Podium liegt, damit ich stets informiert bin, wie viel Zeit ich schon verbraucht und wie viel ich noch zur Verfügung habe. Danach richtet sich nämlich auch der mitunter notwendige Entschluss, die Präsentation etwas zu raffen, damit man das Zeitlimit einhalten kann, das einem gesetzt wurde!

Zu 4.: Wenn ich ganz ehrlich bin, dann bin ich bei diesem Teil am nachlässigsten. Denn es ist wohl so, dass man den Aspekt der Nachbereitung für überflüssig hält, wenn man das Empfinden hat, die Präsentation sei geglückt. Es empfiehlt sich dennoch, die Präsentation für sich selbst abschließend nochmals Revue passieren zu lassen, Teil für Teil, um herauszufinden, wo noch Verbesserungen möglich oder aber Erläuterungen notwendig sind. Ein Indiz dafür sind Fragen, die während oder nach der Präsentation von den Zuhörern gestellt wurden. Auf alle Fälle sollte man selbst ein ehrliches Resümee ziehen, ob man mit der eigenen Darbietung zufrieden war oder nicht.

Weitere Hinweise und Tipps

Der eigentliche Vortrag

Wenn man unsicher ist, hilft ein Spickzettel. Die Verwendung eines solchen Zettels ist kein Zeichen von Schwäche, sondern signalisiert dem Zuhörer, dass der Redner ein ausgearbeitetes Konzept hat und davon nichts vergessen möchte. Es ist selbstverständlich, dass weitestgehend frei gesprochen wird!

Die Sprache muss verständlich sein, sowohl was die Wortwahl als auch den Satzbau anbelangt. Auf gar keinen Fall dürfen die Sätze zu lang geraten, denn sonst riskiere ich, dass meine Zuhörer mich nicht verstehen und konsequenterweise abschalten! Ebenso muss meine Sprechweise angemessen sein in Lautstärke und Betonung. Ich kann, mit ein wenig Training, meine Stimme sogar zum Instrument machen, indem ich moduliere und Lautstärke, Sprechtempo und Stimmlage variiere. Auf diese Art und Weise kann ich Wichtiges hervorheben bzw. die Aufmerksamkeit des Publikums auf entscheidende Zusammenhänge lenken. Ein guter Redner legt öfters mal eine kleine Sprechpause ein, anstatt dass er ein rhetorisches Sperrfeuer an den Tag legt, das alle Beteiligten nur allzu rasch erschöpft.

Unverzichtbar ist der Einsatz von Mimik und Gestik, denn diese sorgen dafür, dass die Aufmerksamkeit stets dort ist, wo ich sie haben möchte: Entweder bei mir als Person, oder beim jeweiligen Medium, das ich gerade benutze. 

Bei kleineren Gruppen unerlässlich ist der Blickkontakt, der mit allen Beteiligten aufzunehmen ist. Der Redner vermittelt hier das Gefühl, sein Publikum ernst zu nehmen, eine Tatsache, die wir alle aus dem Klassenzimmer ja längst kennen! 
 


 
 
 
- 15 -



Der Tafelanschrieb

Zuallererst muss meine Handschrift leserlich sein, und zwar auch vom hintersten Ende des Raumes aus. Ein Tipp, wie man sich hierauf vorbereiten kann: Vor der Veranstaltung, wenn das Zimmer noch leer ist, schreibt man einen Satz an die Tafel, geht dann nach hinten und versucht, das Geschriebene zu entziffern. Diese Vorübung wirkt manchmal Wunder!

In den allermeisten Fällen weiß ich schon vorher, was ich an die Tafel schreiben werde. Dieses Wissen hilft mir bei der räumlichen Aufteilung der Tafel beim Anschreiben. Wie oft kommt es vor, dass man einen Raum betritt, in dem ein Kollege etwas unterrichtet oder präsentiert hat und die Tafel nicht gesäubert wurde. Nur allzu häufig ist dieses Tafelbild recht jämmerlich. Wie soll ein interessierter Zuhörer am Ende einer Präsentation oder Schulstunde nochmals rasch rekapitulieren, welches die wesentlichen Elemente der Darbietung waren? Ein Blick auf die Tafel müsste ihm hier Aufschluss geben können. Oft genug befindet sich hier aber lediglich Gekritzel und unsystematisch Aufgeschriebenes kunterbunt zusammengewürfelt. In einem solchen Fall lieber gar keinen Tafelanschrieb anstreben, oder wenn er dennoch spontan erfolgt, oben links beginnen und unten rechts aufhören!

Und noch eine Selbstverständlichkeit: Während ich etwas an die Tafel schreibe oder zeichne, kann ich unmöglich gleichzeitig zu meinen Zuhörern sprechen - ich wende ihnen ja den Rücken zu. Daher: Erst schreiben/zeichnen, dann sprechen/erklären!

Die Folie

Es ist manchmal schon unglaublich, mit welcher Unverfrorenheit einige Redner ihre Folien präsentieren. Ich möchte hier nur die häufigsten Fehler benennen, damit man aus dem Umkehrschluss folgern kann, wie eine Folie hergestellt bzw. präsentiert werden soll:

- die Schrift ist viel zu klein (d.h. kleiner als 16 Punkte); ab der dritten Reihe kann
 kein Zuhörer mehr irgend etwas lesen! 
- die Folie ist mit Text überladen; wer soll das alles aufnehmen? Außerdem s.o.!
- der Redner verwendet zu viele Folien, die dann zu rasch aufeinander folgen. 
     Wer soll sich das alles merken? 
- der Präsentator spricht zur Wand, also zum Folienbild, anstatt zum Publikum
     (ein Kardinalfehler!) 
- er zeigt ungenau Details seiner Folie an (ein Bleistift, auf die Folie gelegt, wirkt
      wahre Wunder!)
- er verliert sich in seinem Foliensalat (mangelnder Überblick bzw. mangelnde
     Vorbereitung!) 
- er fuchtelt unter der Lichtquelle (bei diesem Anblick wird mir regelmäßig übel!) 
- Folien werden falsch oder "schräg" aufgelegt (ein Kontrollblick nach hinten 
     genügt, um dies zu erkennen!)
Insgesamt gesehen gilt auch hier, was für den Tafelanschrieb bereits gesagt wurde: Vor der Präsentation sollte man sich von der entferntesten Stelle des Raumes seine eigene Folie betrachten, um deren Lesbarkeit und Wirkung zu überprüfen!

Der Film / das Video

Hier ist der wohl wichtigste Aspekt die geringe Dauer der Anwendung dieses Mediums, denn es soll ja wohl keine Unterhaltung geboten werden, sondern ein "pädagogischer" Einsatz. Dieser muss jedoch inhaltlich vorbereitet werden, etwa durch eine Ankündigung zu Beginn der Präsentation. Ich muss mir also zu jeder Zeit im Klaren sein, was ich mit der Vorführung bezwecke. Und: Kann ich gewährleisten, dass alle Anwesenden ohne Mühe die Leinwand oder den Bildschirm sehen und sich selbst "ein Bild machen" können? Wenn das nicht uneingeschränkt bejaht werden kann, eignet sich diese Form des Medieneinsatzes nicht!
 


 
 
 
- 16 -



Der Computer plus LCD-Projektor

Ob ich nun eine Powerpoint Präsentation anstrebe oder ob ich mit Hilfe des Computers eine Übersicht oder Graphik zeigen möchte - der wichtigste Aspekt ist: Ich muss die Technik beherrschen! Wenn ich mir unsicher bin, vor allem auch beim Einsatz von fremden Geräten, sollte ich besser auf eine derartige Anwendung verzichten, es sei denn, ich habe einen ausgebufften Techniker zur Verfügung, der die Gerätschaften zu bedienen in der Lage ist.

Wenn meine Planung stark auf die Anwendung des Computers ausgerichtet ist und mich die Technik im Stich lässt, gibt es nur eine Alternative: Ich brauche einen Plan B, mit dessen Hilfe ich das eingetretene Chaos überwinden kann. Ein solcher Plan kann darin bestehen, dass ich meine eigene Technik (vorsichtshalber) mitgebracht habe, oder aber dass ich eine konventionellere Darstellung als Alternative für meine geplante Präsentation einsetze, z.B. vorbereitete Folien.

Erstellung und Einsatz eines Fragebogens bzw. Arbeitsblattes

Vor allem anderen müssen meine Fragen bzw. Arbeitsanweisungen klar und eindeutig formuliert sein. Wenn in dieser Hinsicht noch Fragen der Teilnehmer kommen, dann habe ich etwas falsch gemacht.

Auch die graphische Anordnung muss so aussehen, dass es keinerlei Missverständnis auf Seiten des Lesers gibt. Bevor ich noch einige Textzeilen oder Abbildungen auf eine Seite quetsche, eventuell sogar noch einige handschriftliche Zusätze, muss ich mir eine andere Anordnung überlegen.

Dem Teilnehmer muss auch verdeutlicht werden, wozu diese Unternehmung gut ist: Was möchte ich als Präsentator damit erreichen? Für wen ist das Blatt wichtig - für mich, für den Teilnehmer, oder für beide Parteien? Erfolgt eine Auswertung, und wie lasse ich diese den Teilnehmern zukommen? Wenn ich diese Fragen nicht klar und deutlich beantworten kann, sollte ich lieber auf den Einsatz eines solchen Hilfsmittels verzichten.

Abschließende Bemerkungen

Alle diese Beobachtungen entstammen der Praxis - ob als Lehrer im Klassenzimmer, oder als Präsentator und Fortbildner bei regionalen und überregionalen Veranstaltungen. Manche der hier geschilderten Erfahrungen habe ich selbst gemacht, andere sind mir positiv bzw. negativ bei anderen aufgefallen. 

Es sollte klar geworden sein, dass ich keine Rezepte anbiete, nach deren Anwendung der eigene Unterricht oder die Präsentation schlagartig besser wird. Ich denke aber, dass nach der Umsetzung einiger der hier aufgezeichneten Vorschläge wenigstens zwei Ziele erreicht werden können: Mein Publikum langweilt sich nicht (oder aber zumindest weniger als vorher!), und ich selbst habe das Gefühl, dass mein Vortrag / meine Präsentation in einer Form stattgefunden hat, damit ich mir nichts vorzuwerfen habe.

Das ist, für den Anfang, gar nicht so schlecht! 
 


 
 
 
- 17 -


Knowledge About Language (KAL) of first-year university students

Ulf Schuetze, Vancouver
 

Students who learn a second language are often influenced by their experiences of being taught their mother tongue (Hufeisen 1999). There is a connection between the knowledge of L1 and learning of the L2. In, for example, Canadian classrooms we find students who speak a variety of first languages such as English, French, Mandarin, Cantonese, Croatian, Tagalog etc. When teaching German as a foreign language at a first-year university level, instructors often notice a lack of knowledge of grammatical terms among students. To follow up on this issue, a survey was conducted to find out how much first-year university students really know about grammatical terms; if this knowledge is linked to their mother tongue; and if they use this knowledge when learning a foreign language such as German.

1. Survey

In September 2000 a survey was carried out among first-year university students at the University of British Columbia in Vancouver. A hundred students who were all enrolled in the German language program at UBC had to identify ten grammatical terms chosen from the Oxford Dictionary Short Term List (adjective/ adverb/ comparative/ conjunction/ determiner/ past participle/ preposition/ pronoun/ noun/ verb). These terms were presented to the students on a handout, and they simply had to indicate if they knew them or not. In addition, they had to answer the following question: Did you consider the knowledge of grammatical terms helpful when you learned German?

2. LOTE (Language Other Than English)

Of the hundred students, 34 did speak a Language Other Than English (LOTE) as L1. These languages included Cantonese (10), Mandarin (8), Tagalog (3), Serbo-Croatian (3), Polish (3), Russian (2), French (2), Turkish (1), Japanese (1), Portugese (1). All of them entered ESL programs where they learned English.

3. Results

The 34 LOTE students identified 69.3% of the terms. 66 students did speak English as L1. They identified 31.8% of the terms.

At this point it is helpful to remember two things. First, these results do not mean that LOTE students perform better in English than native speakers. To know grammatical terms is only one part of language. Second, the task relied on students' own evaluation if they knew the terms or not. However, the numbers were quite surprising considering that the LOTE students identified twice as many terms as the native speakers and the fact that the terms were all given in English based on English grammar. It confirms reports that secondary school native speakers of English have a poor understanding of basic grammatical terminology (Lowe & Wales, 1996).
 

4. Awareness

Of the 34 LOTE students, 17 answered that the knowledge of grammatical terms was helpful when they learned German as a foreign language. A further analysis revealed that these 17 students only identified 64.2% of the terms whereas the 17 students who did not consider it helpful identified 74.4%. Of the 66 native speakers of English, 33 answered that the knowledge of grammatical terms was helpful when they learned German; 12 that they did not think so at the time but now they do; 21 did not consider it as helpful. There was no significant difference in the number of terms these three groups of native speakers of English identified (taken into account that number of students in each group was different). The numbers of the LOTE students as well as the native speakers of English indicate that neither are aware of a connection between knowledge of grammatical terms and using this knowledge to learn German. 

5. Praxis

As has been said the survey was carried out among students who are enrolled in a first-year German course at the university level. It points out that students coming to those programs have a different knowledge of grammatical terms of English grammar depending if their native language is English or not. It indicates that LOTE students seem to have a stronger grammatical background than native speakers of English. The LOTE students’ knowledge of grammatical terms derives from their mother tongue as well as from the ESL programs they enter. However, neither the native speakers nor the LOTE students are necessarily aware of a connection between languages. 

It could be helpful for an instructor of German to find out exactly the mother tongue of each of his or her students at the beginning of the term. It might also be helpful to see how English is taught as L1 in high school and in ESL programs. An understanding of the students’ background and knowledge of grammar could open up a channel to the teaching and learning of German. 
 

References

Hufeisen, B. (1999). Deutsch als zweite Fremdsprache. Fremdsprache Deutsch, 20(1), 4-6.

Lowe, M. & Wales, M.-L. (1996). Language awareness in L1 and its impact upon
progress in L2. Who is afraid of teaching grammar? In C. Arbones-Sola, J. Rolin- Ianziti & R. Sussex (Eds.), Papers in Language Teaching and Linguistics (pp. 121-128). University of Southern Queensland: Centre for Language Learning and Research.


Zu Teil 2 | 3 | 4 | 5 dieser Nummer