Zur Beachtung: Dieser Aufsatz erschien 2005 im Jahrbuch
für Internationale Germanistik (37/1), pp. 63-82 bei Peter Lang. Es wird ersucht, ihn nicht nachzudrucken.
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DaF an kanadischen Schulen und Hochschulen
[1]
Jedes Jahr lernen mehr als 20.000 Kinder, Jugendliche und Erwachsene
Deutsch als Fremdsprache an kanadischen Bildungseinrichtungen von der
Spielschule bis zum Graduiertenstudium. [Zur Tabelle 1, Kanadische Bildungseinrichtungen mit Deutschunterricht]
1. Das Fremdsprachenangebot
Als eine der beiden offiziellen Sprachen Kanadas nimmt das Französische
eine dominierende Sonderstellung ein. Da das Unterrichtswesen in Kanada wie in
Deutschland Ländersache ist, werden Fremdsprachenprogramme im allgemeinen aus
Provinzmitteln finanziert. Für Französisch stellt die Bundesregierung jedoch
zusätzliche Geldmittel zur Verfügung, mit denen Schüler- und
Studentenaustauschprogramme mit Quebec, Reisestipendien, Immersionsprogramme
und frankophone Schulen und Colleges im ganzen Land gefördert werden.
Französisch wird in einer Vielfalt von Formen angeboten—als Core French
(Französisch als Fremdsprache mit „traditionellem“ Curriculum), Extended
(Core) French und in den verschiedenst organisierten early/middle/late
immersions programs. In den beiden letzteren ist Französisch nicht nur Fach
sondern auch die Unterrichtssprache für andere Schulfächer. Alle Provinzen
bieten Immersionsprogramme an, und Französisch wird an praktisch allen Mittel-
und Oberschulen Kanadas gelehrt. Ausserdem gibt es frankophone Schulen in den
englischsprachigen Provinzen, wo gemäss der kanadischen Charter of Rights
ein Recht auf Französischunterricht besteht, wenn dies durch die Nachfrage von
Eltern gerechtfertigt ist.
In bilingualen Programmen ist die Zielsprache auch Unterrichtssprache,
allerdings nur bis zur Hälfte des Unterrichtstages. Bei den in der Zielsprache
angebotenen Fächern handelt es sich meist um die Sprachkunde der Zielsprache,
Sozialkunde, Kunst, Musik, Sport und Gesundheitskunde. Die SchülerInnen in
diesen Programmen sind oft die Kinder oder Enkel von Einwanderern
(Fremdsprachen werden in einigen Provinzen unter dem Begriff international
and heritage languages zusammengefasst). Bilinguale Programme gibt es in
Alberta (Arabisch, Deutsch, Hebräisch, Mandarin, Polnisch, Spanisch und
Ukrainisch), Britisch Kolumbien (Mandarin), Saskatchewan (Ukrainisch) und
Manitoba (Deutsch, Hebräisch, Ukrainisch).
In privaten Sprachschulen (heritage language schools) steht eine
Vielzahl von Sprachen zur Wahl, wie z. B. Deutsch, Griechisch, Armenisch,
Hindi, Vietnamesisch, aber der Besuch dieser Schulen kann—ausser es handelt
sich um eigens dafür genehmigte Kurse—nicht als Pflicht- oder Wahlfach im öffentlichen
Schulwesen angerechnet werden.
An Colleges und Universitäten kann eine Vielzahl von Sprachen und deren
Kultur und Literatur vom Anfängerstadium bis zum Doktorgrad studiert werden.
-2-
2. Fremdsprachen als Wahl- oder Pflichtfächer
Mit den unten genannten Ausnahmen ist der Fremdsprachenunterricht an den
Elementar-, Mittel- und Sekundarschulen Wahlfach. Meistens bleibt es den
lokalen Schulbehörden vorbehalten, Fremdsprachenunterricht zu organisieren; als
Wahlfach befinden sich Fremdsprachen oft in einer Gruppe mit Kunst- oder Musikunterricht.
An den Mittel- und Sekundarschulen steht je nach Provinz, Nachfrage und
Grösse des Schulbezirks eine fast verwirrende Fülle von Fremdsprachen als
Wahlfach zur Verfügung—immer Französisch und häufig Spanisch und Deutsch, aber
lokal auch Arabisch, Blackfoot, Cree, Filipino, Neugriechisch, Hebräisch,
Italienisch, Japanisch, Kantonesisch, Koreanisch, Latein, Mandarin, Ojibway,
Polnisch, Portugiesisch, Punjabi, Russisch, Schwedisch, Ukrainisch, Ungarisch,
u.a.m. Britisch Kolumbien und Alberta bieten die meisten Programme an. Britisch
Kolumbien, zum Beispiel, hat Curricula von Klasse 5 bis 12 in sieben
provinzweit approbierten Sprachen (Amerikanische Zeichensprache, Core-Französisch,
Deutsch, Japanisch, Mandarin, Punjabi und Spanisch) und in weiteren, speziell
vom Minister genehmigten Sprachen wie Arabisch, Hebräisch, Italienisch,
Koreanisch und sieben First Nations-(indianischen) Sprachen.
Für den Oberschulabschluss nach Klasse 12 ist eine Fremdsprache in keiner
Provinz erforderlich; obligatorisch ist sie allerdings in Britisch Kolumbien
von der 5. bis zur 8. Klasse (in der Praxis mit sehr wenigen Ausnahmen
Französisch); Französisch ist in Nova Scotia und Ontario von Klasse 4 bis 9
Pflichtfach.
In New Brunswick und Quebec gelten andere Vorschriften. In New Brunswick
als der einzigen offiziell zweisprachigen Provinz müssen alle Kinder mit
englischer oder allophoner (d.h. anderer als französischer) Muttersprache den
Französischunterricht von der 1. bis zur 10. Klasse in einer von drei Varianten
besuchen:
·
In einem core French program mit einer
Unterrichtseinheit pro Tag;
·
in einem late immersion program von der 6.
bis zur 12. Klassenstufe (in der 6. bis 8. wird 70% des Unterrichts auf
Französisch gehalten; bis zur 11. und 12. verringert sich der Prozentsatz auf
25%);
·
in einem early immersion program (in Klasse
1-3 findet 90% des Unterrichts auf Französisch statt; in der 4. und 5. zu 80%;
darauffolgend ist die Verteilung der beiden Sprachen wie in einem late immersion
program.
Die letzteren beiden Programme stehen nur dort zur Wahl, wo die Nachfrage
danach besteht. Kinder mit französischer Muttersprache nehmen in New Brunswick
an einem English core program von der 1. bis zur 10. Klasse teil.
In Quebec herrscht aus politischen und demographischen Gründen eine
besondere Situation, die deshalb zum Verständnis der Situation des dortigen
DaF-Unterrichts etwas detailliertere Aufmerksamkeit bedarf. Zum einen hat es in
Quebec nie eine zusammenhängende Ansiedlung von deutschsprachigen Einwandern
gegeben, wie dies von Nova Scotia bis Britisch Kolumbien häufig der Fall war.
Die Mehrzahl der deutschsprachigen Einwanderer nach Quebec fasste Fuss in den
Städten—besonders in Montreal—, wo sie sich rasch integrierte. (Allerdings hat
sich auch in den anderen Provinzen die Mehrzahl der deutschsprachigen
Einwanderer nach dem 2. Weltkrieg schnell assimiliert, und in den Städten im
ganzen Land wird Deutsch zu Hause mit Kindern nur in verschwindend kleinen
Zahlen gesprochen. Deutsch als Heimsprache floriert dagegen auf den
Huttererkolonien und in streng konservativen mennonitischen Familien.)
-3-
Die Quebecker Schulreformen der späten 60er und frühen 70er Jahre brachten
tiefgreifende Veränderungen mit sich. In den 60ern war Deutsch noch an einigen
Schulen des Protestant School Board of Greater Montreal gelehrt worden,
und zwar meistens für SchülerInnen, die die Universität besuchen wollten, weil
Deutsch den Ruf hatte, eine nützliche Sprache für das Studium in den
Wissenschaften und in Philosophie und Medizin zu sein. Das neue System der écoles
polyvalentes und der collèges d’énseignement général et professionnel
(cégeps) sollte traditionelle gesellschaftliche Schranken aufbrechen und
den Jugendlichen die Möglichkeit geben, ihren Interessen nachgehen und Kurse in
praktisch allen Fächern belegen zu dürfen, etwa wie dies in einer Gesamtschule
der Fall ist. Die cégeps bieten nun eine zweijährige hochschulvorbereitende
Ausbildung an. Einige verfügen über ein Sprachprogramm, d.h. die SchülerInnen
lernen hauptsächlich Sprachen (meist Deutsch und Spanisch) neben Pflicht- und
anderen Wahlkursen; andere bieten Fremdsprachen nur als Wahlfach an.
Im Jahr 1977 beschloss die Quebecker Nationalversammlung die Charte de
la langue française (Bill 101), in der u.a. festgelegt ist, dass alle
Kinder bis zum Ende ihrer Sekundarschulausbildung in Klasse 11—in öffentlichen
und subventionierten privaten Schulen—ihren Unterricht auf Französisch erhalten
müssen. Für nicht französischsprachige Kinder gibt es eine Anzahl von
stützenden Massnahmen, und die Charta sieht ferner vor, dass Kinder und
Jugendliche in bestimmten, genau definierten Fällen ihren Unterricht auf
Englisch erhalten dürfen.
Im Rahmen der Schulreformen durften an den neuen Schulen Fremdsprachen, u.
a. Deutsch, Italienisch und Spanisch, neben vielen anderen Fächern als
Wahlkurse angeboten werden, was natürlich nicht bedeutete, dass sie auch in der
Praxis entweder aus Budgetgründen oder aus Mangel an TeilnehmerInnen oder
LehrerInnen eingerichtet wurden. Ferner spricht man ausserhalb von Montreal,
Quebec City und einer Reihe anderer kleinerer Städte kaum etwas anderes als
Französisch, sodass nach der Auseinandersetzung mit der zweiten offiziellen
Sprache eine zweite oder gar dritte Fremdsprache an den Schulen nie richtig zur
Diskussion gestanden hat. Das hat zur Folge, dass es heutzutage an den Quebecker
Elementar- und Sekundarschulen nur Englisch bzw. Französisch als Zweitsprache
gibt.
Nach der im Jahr 2000 begonnenen Reform sollen die französischsprechenden
Kinder Quebecs ab dem 3. Schuljahr beginnen, Englisch zu lernen (die Schulen
können die dafür zur Verfügung stehende Zeit selbst festlegen); anglophone
Kinder beginnen mit Französisch schon im 1. Schuljahr. Dieser Unterricht wird
bis zum Abschluss der Sekundarschulausbildung in der 11. Klasse mit zwei
Wochenstunden in Klasse 5 und 6 und vier credits pro Jahr in Klasse 7
bis 11 durchgezogen. Zum Schulabschluss wird obligatorisch je nach
Muttersprache Französisch bzw. Englisch als Fremdsprache auf dem Niveau der
Klassenstufe 11 verlangt. An den cégeps sollen weitere zwei
Semesterkurse obligatorisch werden. Obwohl im Handbuch des Ministeriums bei dem
Begriff „Fremdsprache“ bisher immer nur „Englisch bzw. Französisch“ erscheint,
heisst es nun in informierten Kreisen, dass im 10. und 11. Schuljahr wieder
Fremdsprachen offeriert werden dürften. Jede Schulbehörde bzw. Schule dürfte
die anzubietende Sprache wählen.
Indirekt ist eine Fremdsprache auf der Sekundarstufe
Pflichtfach für viele Jugendliche in ganz Kanada, weil die Kenntnis einer
Fremdsprache auf der Ebene der Klassenstufe 12 Bedingung für die Zulassung zur
Universität in den meisten human- und sozialwissenschaftlichen Fachbereichen
ist.
-4-
3. Der Deutschunterricht an öffentlichen und privaten Schulen
Deutsch als Fremdsprache
wird in Kanada im öffentlichen Schulwesen hauptsächlich auf der Sekundarstufe
angeboten. In Alberta und Manitoba gibt es dazu noch eine Anzahl von Schulen
mit einem englisch-deutschen bilingualen Programm von Klasse 1 bis Klasse 9
bzw. 12, in dem bis zu 50% des Unterrichts auf Deutsch gehalten wird. In Quebec existiert nur eine einzige öffentliche Mittelschule mit
DaF-Unterricht (die École internationale de Montréal), an der im vergangenen Jahr 15 SchülerInnen Deutsch als Wahlfach hatten. Dazu sind etwa 250 SchülerInnen der Klassen 1 bis 11 an der
Alexander-von-Humboldt-Schule in Montreal zu zählen— einer von zwei deutschsprachigen Auslandsschulen in
Kanada. [2]
Ausserdem bieten zahlreiche lokale Schulbehörden in ganz Kanada Abendkurse
für Deutsch als Fremdsprachen an; Statistiken sind jedoch nicht erhältlich.
3.1 Englisch-deutsche bilinguale Programme. In Alberta waren im Schuljahr 2002/2003 rund 740 Kinder
an sieben öffentlichen Schulen im Grossraum Edmonton und in Calgary von der
ersten bis zur zwölften Klassenstufe eingeschrieben (vgl. Tabelle 1). Die
meisten SchülerInnen an diesen Schulen sind entweder noch in Europa geboren
oder sind die Kinder von Einwanderern in der zweiten und dritten Generation.
Dazu kommen noch Kinder, die keinerlei Verbindung mit der deutschen Sprache und
Kultur haben. Seit 1988/1989 hat sich die Anzahl der Kinder in diesem
Schulprogramm etwa verdoppelt, und die Einschreibungen sind weiterhin im Ansteigen.
In Winnipeg (Manitoba) besuchten 850 meist mennonitische Kinder an vier
Schulen ein englisch-deutsches Bilingualprogramm. Auch an diesen Schulen sind
die Zahlen stabil oder im Wachsen begriffen.
3.2 Deutsch an Sekundarschulen. Im
Schuljahr 2002/2003 erhielten mehr als 12.000 SchülerInnen an ca. 225
kanadischen Sekundarschulen (Klassen 9 bis 12) Deutschunterricht (vgl. Tabelle 1). In Britisch Kolumbien waren mit ungefähr 3.500 Jugendlichen die meisten
DeutschschülerInnen eingeschrieben, gefolgt von Ontario mit 2.900, Alberta
(2.860) und Manitoba (2.150). Kleinere Zahlen waren in Saskatchewan, Nova
Scotia, Newfoundland und Labrador und im Yukon zu verzeichnen. Keinen
Deutschunterricht an Sekundarschulen gab es in New Brunswick und Prince Edward
Island.
3.3 Fernkurse für SchülerInnen. In vier
kanadischen Provinzen ist es möglich, Deutsch im Fernstudium zu lernen, wenn an
kleineren oder entlegenen Schulen kein Deutschprogramm angeboten wird oder wenn
die SchülerInnen Deutsch nicht in ihrem Stundenplan unterbringen können. In
allen vier Programmen arbeiten die KursteilnehmerInnen in traditioneller Weise
mit Lehrbuch und den dazu gehörigen Tonbandkassetten und Handreichungen. Der
Einsatz von technologisch aktuelleren Medien im Fernunterricht ist in Alberta geplant.
-5-
In Alberta liegen die Einschreibungen in den letzten fünf Jahren
gleichbleibend bei etwa 150 pro Jahr (rund 110 im Anfängerunterricht auf der Klassenstufe
10, 25 im zweiten Jahr und 15 im dritten Jahr in der 12. Klasse). In
Saskatchewan waren im Schuljahr 2003/2004 gesamt 129 SchülerInnen in den Fernkursen
eingetragen, davon 53 SchülerInnen im Anfängerkurs in der 9. Klasse, weitere 48
in der 10. Klasse, 17 in der 11. und elf in Klasse 12. In Manitoba stehen
Deutschkurse für die Klassenstufen 7 bis 12 als Independent Study Option
zur Verfügung. Von der 9. zur 12. Klassenstufe waren 2002/2003 alles in allem
44 Jugendliche eingeschrieben, 21 in Klasse 9 bzw. neun, sieben und vier
SchülerInnen in den Klassenstufen 10 bis 12. In Nova Scotia sind seit Jahren
etwa drei SchülerInnen per Klassenstufe in den Oberschulfernkursen
eingeschrieben; da die Materialien veraltet sind, wird das Programm
wahrscheinlich eingestellt.
3.4 Deutsches Sprachdiplom. Für sehr
weit fortgeschrittene DeutschlernerInnen haben sich das Deutsche Sprachdiplom I
und II der Kultusministerkonferenz und die Zentrale Deutschprüfung zum Schulabschluss
als äusserst attraktiv erwiesen. Im Westen Kanadas kommen die meisten
Kandidaten von den beiden staatlichen Oberschulen in Winnipeg and Edmonton, die
ein deutsch-englisches Programm beherbergen; in Vancouver-Surrey sind alle
Kandidaten SchülerInnen an einer deutschen Sprachschule; ähnlich ist es in
Ontario. Für Quebec werden die Prüfungen an der Alexander-von-Humboldt-Schule
in Montreal abgenommen.
Pro Jahr legen—mit starken Schwankungen—rund 140 SchülerInnen die Prüfung
zum Sprachdiplom I ab, 125 zum Sprachdiplom II und mehr als 160 die ZDP.
3.5 Entwicklungstendenzen. In den
meisten Provinzen werden von den Kultusministerien keine Statistiken zum
Fremdsprachenunterricht geführt; dies bleibt den lokalen Schulbehörden oder
anderen Gruppen überlassen. Einigermassen verlässliche detaillierte Langzeitzahlen
stehen nur von Alberta und Ontario zur Verfügung:
·
Im Schuljahr 1995/96 waren 3.120 Kinder und
Jugendliche in Core- und Bilingualprogrammen in der Provinz Alberta
eingeschrieben; 2002/2003 betrug die Zahl rund 3.600. [3]
Der Anstieg um 13% ist zum grossen Teil auf die Einrichtung von zwei neuen
Bilingualprogrammen in Edmonton und Calgary zurückzuführen (Anstieg von 595 auf
740 Einschreibungen); freilich bemerkte der Fachberater für Deutsch in Edmonton
in den letzten Jahren einen leichten Rückgang an den Sekundarschulen.
·
In Ontario berichtete das Goethe-Institut von
4.756 SchülerInnen im Schuljahr 1999 und 2.900 SchülerInnen im Jahr 2003/2004.
(Allerdings konnten von 11 Schulen keine Angaben eruiert werden; [4]
es ist aber davon auszugehen, dass die Schülerzahlen im Sinken sind.)
·
In Saskatchewan sind die Zahlen seit einigen
Jahren stabil, befinden sich jedoch auf einem sehr niedrigen Niveau. In
Manitoba fallen die Zahlen in den Core-Kursen, während die
Einschreibungen im Bilingualprogramm leicht im Ansteigen sind.
Bei Langzeitvergleichen darf man allerdings nicht
vergessen, dass sich die Klientel für den Deutschunterricht stark verändert
hat: In den sechziger und siebziger Jahren verlangten viele Einwanderer von
ihren Kindern, Deutsch an der Schule oder an der Universität zu lernen. Die
Kinder der ersten Generation haben nun längst das System durchlaufen, und die
dritte Generation zeigt wenig Interesse an Deutsch. Es gibt daher immer weniger
Kinder mit deutschen Vorkenntnissen, und dazu kommt, dass die Einwanderung aus
deutschsprachigen Ländern seit den 60ern stark nachgelassen hat: Zwischen 1996
and 2001 kamen insgesamt 8.510 in Deutschland geborene Einwanderer nach Kanada,
635 Personen mit Geburtsort in Österreich und 3,090 in der Schweiz. [5] Das bedeutet daher, dass sich der DaF-Unterricht am Interesse und der
Lernbereitschaft von—meist anglophonen—Jugendlichen orientieren muss, die nur
wenig Motivation ausserhalb des Klassenzimmers zum Deutschlernen finden.
-6-
Werbung für Deutsch als Fremdsprache ist daher von
grosser Bedeutung, und sowohl der Kanadische Deutschlehrerverband wie auch das
Goethe-Institut haben mit Wettbewerben und Werbemappen den LehrerInnen Material
zur „Anwerbung“ potentieller DeutschschülerInnen geliefert. Die Durchsetzung
dieser Initiativen bleibt natürlich immer der persönlichen Einsatzbereitschaft
der Lehrpersonen überlassen.
3.6 Schlussfolgerungen. Aus
den Kommentaren von zahlreichen DeutschlehrerInnen lassen sich folgende Schlussfolgerungen
ziehen:
1. Mit wenigen Ausnahmen ist der Trend in den
Schülerzahlen in Deutschkursen stabil oder im Zurückgehen.
2. Das Interesse an Spanisch in den Oberschulen ist
landesweit stark im Ansteigen und hat in vielen Fällen zu einem Einbruch in den
Zahlen in Deutschkursen und sogar zur Schliessung von Deutschprogrammen
geführt. Diese Entwicklung wird allgemein auf die Unterzeichnung des
NAFTA-Handelsvertrags mit den USA und Mexiko und der zunehmenden Popularität
von Urlaubsaufenthalten in Mexiko und anderen lateinamerikanischen Ländern
zurückgeführt. Ausserdem hat das Deutsche den Ruf, schwierig zu sein, während
Spanisch angeblich um vieles leichter zu erlernen sei. Wenn manche
DeutschlehrerInnen als Antwort auf die Konkurrenz vom Spanischen ihre Anforderungen
heruntersetzen, leidet naturgemäss die Qualität des Unterrichts darunter, und
die angestrebten Ziele werden kaum erreicht.
3. An vielen Schulen bestreitet nur eine Lehrkraft den
Deutschunterricht; wenn er/sie in den Ruhestand geht und die Zahl der
DeutschschülerInnen sowieso niedrig ist, werden solche Programme häufig
geschlossen. Wenn LehrerInnen ein Freijahr haben und keine Ersatzlehrkraft
gefunden werden kann, ist es dann manchmal fast unmöglich, das Programm wieder
zu beleben. Weil die Schulbudgets wegen der Kürzungen der letzten zehn Jahre
sowieso keinerlei Spielraum erlauben, fällt es den für die Einstellung von
LehrerInnen verantwortlichen SchulleiterInnen schwer, Deutschklassen mit einer
geringen Zahl von Einschreibungen fortzuführen, wenn in anderen Klassen die
Maxima erreicht sind.
4. Obwohl die Zahlen in den Anfängerkursen in der 9. und
10. Klassenstufe oft sehr hoch sind, wählen viele SchülerInnen Deutsch schon
nach dem ersten Jahr ab. Im Durchschnitt können Schulen damit rechnen, dass nur
etwa ein Drittel oder ein Viertel alle drei bzw. vier Jahre des Oberschuldeutschunterrichts
abschliesst. Oft wird als Grund angeführt, Mathematik und die Naturwissenschaften
seien wichtiger, besonders wenn die Jugendlichen eine Hochschule besuchen
wollen. Seitdem keine Universität mehr den Abschluss eines
Oberstufensprachkurses zur Zulassung verlangt, und auch zur Zulassung zum
Studium in geistes- und sozialwissenschaftlichen Fächern eine Fremdsprache
nicht mehr so häufig wie früher obligat ist, sehen viele SchülerInnen keine
Notwendigkeit, ihr Fremdsprachenstudium bis ins letzte Jahr der Oberschule
durchzuziehen. Fortgeschrittenenkurse kommen daher oft aus budgetären Gründen
nicht zustande; die Lösung, SchülerInnen der 11. und 12. Klasse im selben Raum
zu lehren (split grade), ist selbstverständlich unbefriedigend. Dazu
kommt, dass der Fremdsprachenunterricht— allem Lippenbekenntnis zur
Internationalisierung und Globalisierung zum Trotz—noch immer als soft subject,
als „Mädchenfach“ angesehen wird.
-7-
5. Manche
LehrerInnen klagen darüber, dass die ihnen zur Verfügung stehenden
Lehrmaterialien veraltet und/oder langweilig seien; Lehrbücher aus Deutschland
entsprächen nicht den lokalen Interessen und Anforderungen. Der Erfolg eines
Sprachprogramms komme auf die Initiative der LehrerInnen an; viele seien mit
Arbeit überladen und könnten nicht die Zeit aufbringen, selbst Projekte zu
entwerfen, Materialien zu schreiben oder das Internet zur Arbeit mit aktuellem
kulturellem Material produktiv zu verwenden; einige seien einfach ausgebrannt.
Es ist in der Tat immer wieder festzustellen, dass Schulen, die Wert auf den
Fremdsprachenunterricht legen, attraktive Materialien verwenden und z. B. zum International
Baccalaureate führende Kurse anbieten können, äusserst erfolgreich sind.
Enthusiastische, energische LehrerInnen finden es manchmal schwer, alle am
Deutschunterricht Interessierten in ihren Klassen unterzubringen.
Als positiv sind die Entwicklungen in Alberta und Quebec zu bezeichnen. In
Alberta beschloss die Provinzregierung im April 2004 nach langer Lobbyarbeit
von Eltern und FremdsprachenlehrInnen die Einführung des obligatorischen
Fremdsprachenunterrichts für alle Kinder von der 4. bis zur—vorerst—9. Klasse.
Beginnend im Jahr 2007 wird jedes Jahr ein Jahr des neuen sechsjährigen
obligatorischen Programms begonnen, womit im Schuljahr 2011/1012 alle
albertanischen Kinder von Klasse 4 bis 9 eine Fremdsprache lernen werden. Das
Kultusministerium ist dabei, Sechsjahresprogramme in Cree, Französisch,
Deutsch, Japanisch, Mandarin, Spanisch und Ukrainisch zu entwickeln. Ausserdem
können lokale Schulbehörden unter Berücksichtigung der provinziellen
Rahmenrichtlinien ihre eigenen Programme in Arabisch, Hebräisch, Polnisch oder
Portugiesisch usw. entwickeln, um den Bedarf in ihrem Einzugsbereich decken zu
können. Den lokalen Schulbehörden wird es überlassen zu wählen, welche Sprachen
zu Wahl stehen sollen.
Die Regierung wird zusätzliche Gelder für die Aus- und Fortbildung von
LehrerInnen und den Einsatz modernster Technologie zur Verfügung stellen, z.B.
für Unterricht via Videokonferenzen, damit Jugendliche in entlegenen Orten, wo
eine gewisse Sprache wegen zu geringer Nachfrage nicht angeboten werden kann,
am Fremdsprachenunterricht teilnehmen können.
Man hofft nun, dass auch Deutsch als Fremdsprache von dieser Language
Initiative [6]
profitieren wird. Sicherlich wird nicht in allen Schulbezirken die
Nachfrage danach vorhanden sein, und die Schulbehörden werden finanziell wohl
nicht imstande sein, Programme in drei oder mehr Fremdsprachen anzubieten. Aber
in den grösseren Städten und in gewissen Landbezirken, wo Deutsch noch latent
als die Sprache der Eltern und Grosseltern vorhanden ist, gibt es gute Chancen
für die (Wieder-) Einführung von DaF in den Elementar- und Mittelschulen.
Ausserdem könnten die SchülerInnen, die nach der 9. Klasse mit Deutsch
weitermachen wollen, die Kurse in den Oberschulen füllen und die Entwicklung
neuer, anspruchsvollerer Kurse auf diesem Niveau begünstigen.
In Quebec wird es im Zuge der Schulreform bis 2006 vielleicht möglich sein,
den Unterricht einer dritten Sprache in den Klassen 10 und 11 einzuführen.
Daher bemühen sich der dortige Deutschlehrerverband und eine Anzahl anderer
Gruppen, die lokalen Schulbehörden und SchulleiterInnen von den Vorteilen zu
überzeugen, Deutsch (und andere Sprachen wie sicherlich Spanisch) anzubieten.
Auch hier rechnet man nicht mit einem dramatischen Anstieg in den
Einschreibungen, jedoch in Montreal, Quebec City und anderen Städten wird die
Einführung von DaF gewiss attraktiv sein und die Nachfrage nach Deutsch an den cégeps stimulieren.
-8-
4. Deutsche Sprachschulen
In Kanada waren im Jahr 2003 etwa dreissig Deutsche Sprachschulen bekannt,
an denen insgesamt rund 3.120 TeilnehmerInnen Deutschunterricht erhielten. Die
meisten Sprachschulen erteilen Unterricht von Kindergarten bis zum
Erwachsenenniveau, und einige offerieren auch von dem jeweiligen Kultusministerium
anerkannte Kreditkurse. Die meisten Sprachschulen und TeilnehmerInnen waren in
Ontario zu finden (11 Schulen mit etwa 1.750 Einschreibungen), gefolgt von
sieben Schulen in Britisch Kolumbien (500 Einschreibungen), vier in Quebec
(N=368) und drei in Alberta (N=330). Auch in Nova Scotia wurde Deutsch an zwei
Schulen für etwa 45 Teilnehmer angeboten.
28 dieser Schulen sind Mitglieder des Kanadischen Verbands Deutscher
Sprachschulen, der jedes Jahr lokale, regionale und nationale
Fortbildungsveranstaltungen durchführt. Ausserdem orientieren sich die Lehrpläne
an diesen Schulen an dem vor einigen Jahren erstellten „Leitfaden zur
Unterrichtsplanung für deutsche Sprachschulen“ aus, der die LehrerInnen bei der Vorbereitung ihres Unterrichts entlasten und ihnen Hilfe und
Orientierung anbieten soll.
Zu den oben genannten Zahlen sind von Kirchen organisierte Sprachschulen zu
zählen, allerdings ist genaue Information dazu schwer zu ermitteln. Viele
dieser Schulen mussten im Laufe der Jahre den Unterricht mangels an
Einschreibungen ganz einstellen oder mit anderen privaten Schulen
zusammengehen. Ausserdem kann man davon ausgehen, dass in jenen Regionen
Kanadas, wo Deutsch noch eine wichtige Rolle unter den konservativen Mennoniten
spielt—wie z.B. in Britisch Kolumbien, Alberta, Manitoba und Ontario—solche
Sprachschulen existieren. Auch da steht praktisch keine Information zur
Verfügung.
Die Sprachschulen haben eine wichtige Rolle in der DaF-Landschaft Kanadas gespielt,
weil sie Unterricht für Kinder im jüngsten Alter hielten, wofür es kein Angebot
an den öffentlichen Schulen gab, oder weil in manchen Städten überhaupt keine
öffentlichen Schulen mit Deutschunterricht existierten. Bis heute spielen diese
Schulen in Quebec eine enorm wichtige Rolle, weil dort Deutsch an den
öffentlichen Schulen (mit einer einzigen Ausnahme) nicht offeriert wird. Diese
Situation existiert heute mehr als je zuvor in z.B. Nova Scotia, aber auch in
Ontario und Britisch Kolumbien.
Die Sprachschulen wurden vor Jahren von deutschen Klubs und von solchen
Kirchen gegründet und geführt, die ihren Gottesdienst in deutscher Sprache
hielten. In den sechziger und siebziger Jahren waren es hauptsächlich die
Kinder—und schliesslich die Enkel—von Einwanderern, die diese Schulen
besuchten. Heute ist der Anteil der SchülerInnen aus deutschsprachigen Familien
(oft handelt es sich um neue Einwanderer aus Polen und anderen mittel- und
osteuropäischen Ländern) noch immer hoch, aber mehr und mehr Kinder und
besonders Erwachsene ohne deutschsprachige Vorkenntnisse nehmen nun am
DaF-Unterricht an diesen Schulen teil.
Die Ausgaben an den Sprachschulen wurden ursprünglich zum grössten Teil von
den Eltern getragen; dann subventionierten die provinziellen Kultusministerien
die Schulen jahrelang im Rahmen des Multikulturalismusprogramms. Recht
grosszügige Subventionierung der Schulen erfolgt noch immer durch die deutsche
Bundesregierung, wenn gewisse Auflagen zum Unterricht erfüllt werden.
Für die Sprachschulen in Quebec gibt es schon sehr
lange keine Zuschüsse von der provinzialen und kanadischen Regierung mehr, und
die Subventionen von Deutschland sind sehr gering, wenn die Leistungsnachweise
(ZDP, DSD) nicht erbracht werden. Grund für mangelnde Leistungsnachweise ist
der Mangel an Kandidaten des geforderten Alters und Wissens, nicht die
mangelnde Qualität des Unterrichts.
-9-
4.1 Entwicklungstendenzen.
Verlässliche Langzeitstatistiken über die Einschreibungen in den Sprachschulen
Kanadas bestehen nur punktuell. Alberta möge als Beispiel dienen: 1966 gab es
29 Sprachschulen in Alberta, aber nur mehr 20 im Schuljahr 1972/73, 12 im Jahr
1981 und sechs im Jahr 1985. Im Schuljahr 2002/2003 existierten in Alberta nur
mehr drei Sprachschulen (keine Kirchenschule mehr) mit etwa 330
Einschreibungen. [7] Es ist
anzunehmen, dass sich die Zahlen im Laufe der nächsten Jahre weiter verringern,
jedoch dann stabil bleiben werden, wenn es gelingt, mehr anglo/frankophone Erwachsene
anzuziehen.
5. Spielschulen und Kindergärten
Wie erwähnt, sind deutsche Kindergärten meistens den Sprachschulen
angeschlossen. Darüber hinaus gibt es wahrscheinlich noch zahlreiche private,
informell organisierte Programme für kleine Kinder (wie zum Beispiel in Fredericton
(New Brunswick), wo Eltern eine Spielgruppe gegründet haben); Details sind
nicht erhältlich. Ein ähnliches Programm existiert in Montreal und in Beaconsfield (Quebec), wo sich wöchentlich drei bis vier Mütter treffen,
damit die Kinder Deutsch sprechen können. In
Vancouver bietet eine Schule Programme an für zwei Kindergartengruppen und
weitere fünf Programme mit insgesamt rund 80 Kindern, die in Kirchen und community
centers zusammenkommen. Schulen für Kleinkinder bestehen ausserdem in
Saskatchewan und Nova Scotia.
Die Kleine Kinderschule in Edmonton ist einem der bilingualen
Grundschulprogramme vorangestellt; Jahr für Jahr sind da ungefähr 80 Kinder zwischen
drei und fünf Jahren eingeschrieben, von denen etwa zwei Drittel in die
deutschen Kindergärten der Bilingualprogramme übertreten. An den
Kindergärtenklassen dieser Schulen selbst nehmen seit Jahren 80 Kinder teil.
6. Hutterische Schulen
Im Jahr 2001 gab es in Kanada laut Volkszählung etwa 26.300 Hutterer auf
rund 325 Kolonien; 1991 waren es noch 21.495 gewesen, im Jahr 1981 gab es
16.350 Hutterer; 1971 war es erst 13.650 gewesen. Die meisten Hutterer lebten
in Alberta (N=12.330) und Manitoba (N=8.795); weitere 4.895 waren in Saskatchewan
zu verzeichnen und zirka 220 in Britisch Kolumbien. Huttererfamilien sind
kinderreich, und daher waren der Volkszählung nach 55% aller Hutterer jünger
als 25 Jahre; 37% waren sogar jünger als 15 Jahre. [8]
Huttererkinder besuchen den Kindergarten im Alter von zwei bis fünf Jahren
und die Grundschule von sechs bis 16. Normalerweise stellt die Kolonie das
Schulgebäude zur Verfügung und kommt für Heiz- und Instandhaltungskosten auf;
der lokale Schulbezirk stellt die LehrerInnen ein und entlohnt sie; manchmal
entrichtet er auch eine kleine Miete für das Schulgebäude. Die LehrerInnen
folgen dem Curriculum der staatlichen Schulen; in den meisten Fällen erhalten
die Kinder auch Unterricht im Deutschen. Darüber hinaus bekommen die Kinder
zwei Stunden Deutschunterricht pro Tag von ihrem eigenen Deutschlehrer.
Manche Hutterergruppen sind der Welt aufgeschlossener als andere in bezug
auf die Erziehung ihrer Kinder. In drei Provinzen gibt es eine gut
funktionierende Zusammenarbeit zwischen dem Fachberater für Deutsch und den
Hutterern; in Manitoba arbeitet das Kultusministerium sogar eng mit den
Hutterern bei der Lehrerausbildung zusammen, und Mitglieder von Kolonien
besuchen Aus- und Weiterbildungskurse für Lehrer an der Universität und kehren
dann formal qualifiziert zu ihren Kolonien zurück. Das Goethe-Institut Toronto,
zuständig für die westlichen Provinzen, arbeitet mit dem Fachberater für Westkanada
bei den Fortbildungsworkshops der Hutterer-Deutschlehrer mit und bietet sehr
beliebte Sprachkurse für die Junglehrer an, 2004 im August zwei Wochen lang in
der Baker Colony.
Im Jahr 2002/2003 lernten mehr als 5.000 Huttererkinder in Alberta,
Saskatchewan und Manitoba die deutsche Sprache.
-10-
7. Deutsch an Universitäten und Colleges
An den Hochschulen und Universitäten Kanadas spielt der Unterricht im Fach
Deutsch als Fremdsprache seit langem eine bedeutende Rolle. [9]
Während bis vor etwa 20 Jahren die Erschliessung und Wertschätzung der
deutschen Literatur die Rechtfertigung und das Endziel des Deutschunterrichts
war, so haben sich seither mit der Einführung von Kursen und Programmen in German
Studies, Geschäfts/Wirtschafts-deutsch, angewandter Linguistik und
Kulturstudien zusätzliche Schwerpunkte entwickelt. Nicht alle Innovationen
haben sich jedoch als richtungsweisend bewährt.
Seit langem dokumentiert der Kanadische Germanistenverband in einer
alljährlichen Umfrage die Einschreibungen in Deutsch als Fremdsprache und in
der Germanistik an kanadischen Universitäten und Colleges. [10]
Für das akademische Jahr 2003/2004 sandten 40 von 43 Universitäten und acht
Colleges ihren Bericht ein. Die Gesamtzahl der Einschreibungen in semestrigen
Deutschkursen auf allen Ebenen belief sich auf 22.074. (Wegen
Mehrfachregistrierungen in Kursen ist die tatsächliche Zahl der
DaF-StudentInnen pro Jahr nicht genau zu ermitteln; sie beläuft sich aber schätzungsweise
auf mehr als 17.000.)
Die 21.208 Einschreibungen an den Universitäten (d.h. exklusive der
Einschreibungen an Colleges und cégeps) im Jahr 2003/2004 verteilen sich
folgendermassen über Kursinhalte:
|
Kurse
|
Einschreibungen
|
Verteilung
|
|
Sprache
|
15.007
|
71%
|
|
Kurse
zur Entwicklung des Leseverständnisses
|
1.234
|
6%
|
|
Wirtschafts-
und Geschäftsdeutsch
|
242
|
1%
|
|
Landeskunde/
German Studies im Original
|
867
|
4%
|
|
Landeskunde/
German Studies in Übersetzung
|
1.389
|
7%
|
|
Deutsche
Literatur im Original
|
1.170
|
6%
|
|
Deutsche
Literatur in Übersetzung
|
519
|
2%
|
|
Linguistik
|
260
|
1%
|
|
Andere
(z.B. skandinavische Sprachen, Einführung in die Literaturtheorie, Drama, Film,
usw.)
|
520
|
2%
|
|
Insgesamt
|
21.208520
|
|
Mehr als drei Viertel aller Einschreibungen waren im akademischen Jahr 2003/2004
in Sprachkursen zu finden, elf Prozent in Kursen in Landeskunde im Original und
in Übersetzung, acht Prozent in Literaturkursen im Original und in Übersetzung
und ein Prozent in Linguistikkursen. Die hohe Zahl in den Sprachkursen ist vor
allem darauf zurückzuführen, dass an vielen Universitäten ein Jahr einer
Fremdsprache zum Abschluss eines Bachelor of Arts-Programms erforderlich
ist.
-11-
7.1 Entwicklungstendenzen. Zum
Langzeitvergleich zog der CAUTG Enrolment Survey die Angaben von 26
Universitäten heran, die seit 1992 einen kompletten Datensatz eingereicht
haben. Im Jahr 1992/1993 gab es 14.595 Einschreibungen an diesen Universitäten;
bis zum Jahr 2000/2001 fiel die Zahl um 29% auf 10.316, ist aber seither
kontinuierlich wieder auf 11.941 angestiegen.
|
Kurse
|
Einschreibungen
|
Zuwachs zwischen
2000/01 und 2003/04
|
|
1992/93
|
2000/01
|
2003/04
|
|
Deutsche
Sprache, davon
|
14.595
|
10.316
|
11.941
|
16%
|
|
1. Jahr (Anfänger)
|
(9.166)
|
(7.074)
|
(8.287)
|
17%
|
|
2. Jahr
|
(2.985)
|
(1.957)
|
(2.284)
|
17%
|
|
3. Jahr
|
(1.528)
|
(940)
|
(984)
|
5%
|
|
4. Jahr
|
(916)
|
(3451)
|
(386)
|
12%
|
|
Lesekurse2
|
914
|
1.272
|
725
|
-43%
|
|
Landeskunde/German
Studies im Original
|
435
|
431
|
783
|
82%
|
|
Landeskunde/Geman
Studies in Übersetzung
|
438
|
1.047
|
1.331
|
27%
|
|
Deutsche
Literatur im Original
|
1.701
|
847
|
1.059
|
25%
|
|
Deutsche
Literatur in Übersetzung
|
312
|
293
|
519
|
77%
|
Anmerkungen:
1. Die niedrigste Zahl wurde im Jahr
2001/2002 mit 211 Einschreibungen verzeichnet.
2.
Die Einschreibungen in den Lesekursen
variieren stark. 1999 gab es 811 Einschreibungen, im folgenden Jahr 1,272 und
457 im Jahr 2001/2002. Der markante Anstieg zwischen 1999/2000 und 2000/2001 ist
auf die Einführung eines Selbststudienprogramms an der University of British
Columbia zurückzuführen.
Seit ihrem Tiefpunkt im Jahren 2000/2001 haben die Einschreibungen in allen
Kursarten (mit Ausnahme der Lesekurse) stetig zugenommen: in den Sprachkursen
um etwa 16%, in Veranstaltungen in deutscher Literatur im Original und in
Übersetzung um 25% bzw. 77% und in Landeskunde/German Studies im Original
und in Übersetzung um 82% bzw. 27%.
Einschreibungen in M.A.- und Ph.D-Programmen in deutscher Literatur und
Linguistik sind in den letzten Jahren insgesamt leicht angestiegen; allerdings
ist der Trend bei Einschreibungen in den M.A.-Programmen zu- und in den
Ph.D.-Programmen abnehmend.
|
|
2000-2001
|
2001-2002
|
2002-2003
|
2003-2004
|
|
M.A. Programm (11 Universitäten)
|
54
|
58
|
70
|
76
|
|
Ph.D. Programm (7 Universitäten)
|
50
|
47
|
49
|
38
|
|
insgesamt
|
104
|
105
|
119
|
114
|
Die Deutschprogramme an den Universitäten scheinen sich nach den
drastischen Budgetkürzungen der 90er Jahre—die z. B. in Alberta 21% über drei
Jahre betrugen!—etwas zu erholen, wenn auch der verlorene Boden in absehbarer
Zeit nicht—wenn je— aufgeholt werden kann.
-12-
Die Budgetkürzungen hatten gravierende Folgen:
|
Kürzungsbedingte Massnahmen
|
Zwischen- und Endfolgen
|
|
Reduktion
der Mittel für sessional instructors (zeitbefristete
Vertragsangestellte) und teaching assistants (meist in einem graduate
Programm eingeschriebene StudentInnen)
|
Streichung
einer Vielzahl von Sprachkursen und Erhöhung der Maximalstudentenzahl pro
Veranstaltung; daher allgemeiner drastischer Rückgang in den Einschreibungen
in Sprachkursen und sicherlich auch Verlust an Qualität des Lernens.
|
|
Drastische
Erhöhung der Studiengebühren: Die durchschnittlichen jährlichen Studiengebühren
stiegen von $1.464 im akademischen Jahr 1990/1991 auf $4,025 im akademischen
Jahr 2003/2004 [11]—ein Anstieg
um 175%!
|
·
Erhöhte Praxisorientierung der StudentInnen; daher
niedrigere Einschreibungen in den Geisteswissenschaften.
·
Durch hohe Studiengebühren weniger StudentInnen
aus dem Ausland; daher weniger Einschreibungen in graduate Programmen
und weniger LehrassistentInnen für die Sprachkurse.
|
|
Ganze
oder teilweise Streichung von Planstellen bei Wegzug oder Pensionierung (die
Mehrzahl der vielen in den 60er und 70er Jahren eingestellten ProfessorInnen
ist seit Jahren auf dem Weg in den Ruhestand).
|
·
Streichung von nicht genügend stark besuchten
Veranstaltungen im 3. und 4. Jahr der undergraduate Programme, daher
weniger Auswahl und Anreiz dazu, Germanistik als Haupt- oder Nebenfach zu
wählen.
·
Streichung von manchen Programmen für Deutsch als
Hauptfach.
·
Streichung oder Beschränkung der Auswahl an Kursen
in Graduiertenprogrammen; daher weniger Anreiz, Germanistik zu studieren.
·
Niedergang in den Einschreibungen in Graduiertenprogrammen
wegen verringerter Berufsaussichten
·
Die Einführung neuer Kurse in German Studies,
Wirtschafts- und Geschäftsdeutsch und angewandter Linguistik erwies sich als
weniger erfolgreich als erwartet; daher Streichung mancher dieser Veranstaltungen.
|
|
Zusammenlegung
von Abteilungen für einzelne Sprachdisziplinen in Departments of Modern
Languages
|
In den
neuen Megainstituten mehr Rückgriff auf in Englisch abgehaltenen
Veranstaltungen in anderen Teilen des Instituts; daher weniger graduate
Kurse in Germanistik.
|
-13-
Der Anstieg in der Zahl der DaF-StudentInnen in den letzten Jahren ist
wahrscheinlich darauf zurückzuführen, dass nach dem faktischen
Einstellungsstopp doch wieder manche neu entstehende Planstellen besetzt werden
und dass—meistens auf Englisch gehaltene—Kurse in Kultur und Film beliebt sind.
Zu den Kreditkursen an den Universitäten und Colleges sind noch Hunderte
von Einschreibungen in ihren sogenannten extension oder continuing
education Kursen (vergleichbar mit Volkshochschulkursen) zu rechnen. Genaue
Daten dazu sind nicht zu ermitteln.
7.2 Fernkurse für UniversitätsstudentInnen. An vier Universitäten wird Deutsch per Fernunterricht angeboten. Queen’s
University offeriert den Anfänger- und den Mittelstufenkurs als Sommerkurs per
Korrespondenz. Etwa 20 TeilnehmerInnen sind gewöhnlich im Anfängerkurs
eingeschrieben; die Zahlen für den Mittelstufenkurs variieren stark. Ausserdem
wird der an der University of British Columbia entwickelte Lesekurs für
StudentInnen, die Kompetenz im Leseverstehen vorweisen müssen, als Fernkurs mit
CD offeriert; die Einschreibungen sind ständig gestiegen und belaufen sich
derzeit auf das Maximum von 25 pro Semester.
Wilfried Laurier University gibt seit Jahren erfolgreich den Anfängerkurs
als Fernkurs mit durchschnittlich zehn StudentInnen; seit 1998 wird der Kurs
durch WebCT unterstützt, womit nicht nur die Lernmaterialien geliefert, sondern
auch intensive Interaktion mit den Lehrenden ermöglicht werden.
Die University of Waterloo bietet das umfangreichste Fernstudienprogramm
an, nämlich den Anfängerkurs (drei- bzw. zweimal pro Jahr mit insgesamt 170
Trimestereinschreibungen; alle Angaben für 2003/2004), einen Mittelstufenkurs
(einmal pro Jahr mit 10 Einschreibungen), einen Wirtschaftsdeutschkurs auf Drittjahresniveau
(einmal pro Jahr mit neun StudentInnen) und „German Thought and Culture“
(N=43), „Holocaust and Resistance in German Culture“ (N=18) und „National
Socialist Ideology and Culture“ (N=26). Die beiden Sprachkurse wurden an der
Universität entwickelt und sind vollkommen on-line mit webbasierten
Lehrmodulen. Bei den anderen Kursen handelt es sich um traditionelle Fernstudienmaterialien
mit Lektüre, Handreichungen und Videos. Geplant ist, alle Sprachkurse im
Trimesterrhythmus on-line anzubieten; die Umstellung der anderen Kurse auf
Webformat ist langfristig geplant.
Athabasca University, die vierte Universität in Alberta und ausschliesslich eine Fernuniversität,
bietet auch Deutsch als Fremdsprache an. Ungefähr 110 Einschreibungen pro Jahr verteilen sich über drei Kurse,
zwei Anfängerkurse und einen Lesekurs. In allen Kursen werden die Studierenden von Tutoren per E-mail und Telefon individuell
betreut. Der Lesekurs verwendet die an der University of British Columbia entwickelten Materialien.
In den Anfängerkursen bestehen die Lernmaterialien sowohl aus einem traditionellen Lehrbuch als auch aus CDs, Videos
und Webseiten. Die StudentInnen haben die Gelegenheit, Wimba, ein asynchrones Voice E-mail-Programm, zu benutzen.
8. Goethe-Institut
Das Goethe-Institut bietet Deutschkurse an drei Standorten in Kanada an,
nämlich in Toronto, Montreal und Ottawa. Dazu kommt das Goethe-Zentrum
an der Simon Fraser University in Vancouver, das das volle Sprachprogramm des
ehemaligen Goethe-Instituts in Vancouver liefert.
Im Jahr 2004 waren in Toronto 688 Kursteilnehmer auf den Stufen 1 bis 4
eingeschrieben, 57 auf Stufe 5 bis 8, 28 auf Stufe 9 bis12 und 26
in „anderen“ Kursen. Im Jahr 2003 nahmen 274 Personen an Kursen in Ottawa teil.
Am Goethe-Institut Montreal belegten im selben Jahr 727 Teilnehmer Kurse der
Grundstufe, weitere 78 lernten Deutsch auf der Mittelstufe, und auf der
Oberstufe (mit variablen Inhalten) gab es 29 KursteilnehmerInnen.
-14-
In Vancouvers Goethe-Zentrum lernen im Durchschnitt ungefähr 80
StudentInnen Deutsch pro Semester. Das Zentrum gibt Standardkurse, die in drei
Jahren zum Zertifikat Deutsch führen, und Special Topics- Kurse, die
sich nach der Nachfrage richten. U.a. werden Konversations- und
Auffrischerkurse und verschiedene fortgeschrittene Kurse angeboten.
In den letzten zehn Jahre hat sich die Zahl der Kursteilnehmer in Montreal
wohl von 950 um etwa 100 pro Jahr verringert, hält sich jedoch seit fünf Jahren
auf vergleichbarem Niveau. Ähnliches gilt für die anderen beiden Institute.
9. Abschliessende Bemerkungen
Für die meisten Nordamerikaner ist die Beherrschung von einer, zwei oder
gar drei Fremdsprachen immer noch nicht die Selbstverständlichkeit, mit der
diese Frage in Europa behandelt wird. Die Budgetpolitik der kanadischen Bundes-
und Provinzregierung hat mit ihren Kürzungen an Schulen und Hochschulen ein
Übriges getan, die Situation der Fremdsprachen (mit Ausnahme des Französischen)
zu erschweren. Inhalte und Fertigkeiten werden weniger nach intellektuellen
oder ästhetischen Kriterien, sondern hauptsächlich unter dem Aspekt der
wirtschaftlichen Verwertbarkeit beurteilt. Diese Einstellung verstärkt die seit
langem in der Öffentlichkeit herrschende Vorstellung, Fremdsprachen seien ein
Luxusfach. Es wundert daher nicht, dass Fremdsprachenkenntnisse zwar als etwas
Positives oder Bewundernswertes gewertet, aber nicht als essentiell für die
berufliche Ausbildung und persönliche Bildung angesehen werden.
Obwohl Deutsch als Fremdsprache aus verschiedenen Gründen nicht mehr die
hohen Einschreibungszahlen der 70 und 80er Jahre verzeichnen kann, erfreut es
sich noch immer bei vielen Tausenden von Lernenden pro Jahr grosser
Beliebtheit, und verschiedene Initiativen tragen zu einer Belebung des
DaF-Unterrichts bei. Freilich können sich die Lehrenden an Schulen und
Hochschulen nicht mehr darauf verlassen, dass die Lerner in Scharen zu ihnen
kommen—heute müssen sie im Wettkampf mit anderen Sprachen, die gerade „sexy“
sind, ihre potentielle Klientel umwerben.
Manfred Prokop
(Edmonton, Alberta, Kanada)
Webseiten der kanadischen Deutschlehrerverbände
Canadian Association
of Teachers of German (mit Links zu
den provinziellen Deutschlehrerverbänden und ihren
Mitteilungsblättern): http://www.ualberta.ca/~german/catg/start.htm
Canadian Association
of University Teachers of German: http://www.cautg.org/
Kanadischer Verband
Deutscher Sprachschulen: http://www.ualberta.ca/~german/KVDS/